Sonntag, 4. Dezember 2016

Hochschulforum Digitalisierung - Rückblick und Ausblick

Letzten Donnerstag war das Hochschulforum Digitalisierung auch schon wieder vorbei. Naja, nicht ganz, denn es geht noch bis 2020 weiter. Die bisherigen themenorientierten Arbeitsgruppen, die mit hohem Aufwand sehr interessante und hilfreiche Arbeitspapiere zum Thema Digitalisierung der Lehre erstellt haben, haben jedoch ausgedient. Sie werden ersetzt durch Aktivitäten wie Konferenzen und direkte Beratung, die näher an der Nachfrage aus den Hochschulen sind. So ist jedenfalls der Plan.

An dieser Stelle bietet es sich also an, kurz innezuhalten und die Ergebnisse des HFD zu sichten. Im Bereich der Digitalisierung der Lehre ist über die letzten 4 Jahre alles geschrieben und diskutiert worden, was in diesem Bereich zu besprechen war (hatte ich schon die tollen Arbeitsberichte erwähnt?). Hier gibt es einen reichen Schatz an Erfahrungen und "best practices", die an interessierte Hochschulleitungen weitergegeben werden können, sofern diese digitale Lehre als Teil ihrer Strategie wahrnehmen wollen.

Es gibt da diesen Witz von dem Mann, der vor dem Haus seinen Haustürschlüssel verloren hat. Er sucht auf dem Bürgersteig unter der Straßenlaterne und findet nichts. Ein anderer Mann kommt vorbei und fragt, wo er den Schlüssel verloren hat. "Da drüben, im Dunkeln" sagt der Erste. "Aber warum suchen Sie dann hier?" "Hier ist Licht".

Genau hier liegt der Hund begraben. In meiner eigenen Universität betrachten wir die Digitalisierung als umfassendes Phänomen, welches eine Transformation von Forschung, Lehre, Third Mission, Verwaltung, also den gesamten Optionskranz für eine Hochschulstrategie bewirken kann. Sich hier Digitalisierung der Lehre als Einzelproblem herauszugreifen, springt zu kurz. Ich verstehe ja, dass für HAWs, Fachhochschulen, Weiterbildungseinrichtungen etc. Digitalisierung nur über die Lehre funktioniert. Aber das Problem der Universitäten wird vom HFD bisher nicht addressiert.

Für alle diejenigen Kolleginnen und Kollegen in den Hochschulleitungen, deren strategische Überlegungen in diesen Wochen auf die Worte Excellenzcluster, Innovative Hochschule oder 1000-Professuren-Programm hören, ist Digitalisierung der Lehre ein Problem geringer Priorität. Unsere Fragen kreisen um die Themen Forschungsdatenmanagement, Forschungsinfrastrukturen, Open Science Cloud und welche Rolle diese in der Definition zukünftiger Forschung einnehmen. Wie sieht Forschung im 21. Jahrhundert aus, wo kommen die Forschungsdaten her und wo gehen Sie hin? Wie arbeiten unsere Wissenschaftlerinnen weltweit mit anderen zusammen? Wie schaffen wir es, dass unsere Universitäten digital international sichtbar werden und exzellente Nachwuchswissenschaftlerinnen (nicht nur Studierende!) anziehen?

Nicht dort wo es schon hell ist, sondern im Dunklen wird es interessant. Digitale Lehre ist ein Ergebnis strategischer Überlegungen, nicht der Ausgangspunkt. Digitale Forschung zieht Digitale Lehre nach sich. Curriculum Development als Teil einer Hochschulstrategie, Peer-to-Peer-Beratung für Change Management und Organisationsentwicklung, Internationalisierung als bewußte Entscheidung einer Hochschule startet nicht bei einem Problem "Lehre", weil es das in der Form nicht gibt. Zu diesen strategischen Punkten hat das HFD bisher noch wenig geliefert. Ich hoffe, das kommt noch, bis 2020 ist ja noch ein bisschen Zeit.

Donnerstag, 22. September 2016

Open Educational Resources und VG Wort - Wenn zwei sich streiten, freut sich die Uni

Manchmal sind es die kleinen Innovationen, die unbeabsichtigt große Dinge bewirken. Der symbolische Flügelschlag eines Schmetterlings, der viele Äonen später ganze Kontinente verändert. Die Einführung der SMS als Steuerungskanal für Mobiltelefone, der Jahrzehnte später für veränderte Daumenphysiognomie bei Heranwachsenden sorgt.

Nicht jede kleine Innovation ist in ihrer Zeit aber sinnvoll, und manchmal wirkt es auch kontraproduktiv. Nehmen wir einmal das Urheberrecht für gedruckte Materialien, die in der universitären Lehre eingesetzt werden. Nach vielen Jahren der pauschalen Abrechnung von Wissenschaftsministerien mit der Verwertungsgemeinschaft Wort meint diese, jetzt wäre die Zeit gekommen, eine pay-per-use-Innovation einzuführen. In Zukunft soll jede Professorin und jeder Professor beim Hochladen der Unterrichtsmaterialien in das unieigene Moodle-System eine klitzekleine Eingabemaske ausfüllen, damit die VG Wort die korrekten 0.08 EUR für die achtseitige Publikation für 15 Seminarteilnehmer erhält. Ja, wir reden hier über Geldbeträge, die einer wirtschaftlichen Betracht des gesamten Aufwands für den einzelnen Vorgang nicht standhalten. Und wir reden über eine Innovation, die nur für Printmedien gilt, aber nicht für Filme und Töne, da die GEMA weiterhin pauschal abrechnet.

Werden die Professorinnen und Professoren meiner Universität also freudig diese Sonderlocke  der VG Wort mitdrehen und jedes Mal die Eingabemaske ausfüllen? Hm. Wird die VG Wort damit mehr oder weniger Einnahmen als bei der früheren Pauschalabrechnung erzielen? Doppel-Hm. Im Fußball wäre das ein Eigentor. Aber ab dem 1.1.2017 soll es gelten. Und was tun wir jetzt?

Einfach. Was für Universitäten zu tun ist, liegt auf der Hand. In Zukunft werden wir nur noch Unterrichtsmaterialien einsetzen, welche frei von Lizenzgebühren zugänglich sind, für die also keinerlei Gebühren an die VG Wort abgeführt werden. Diese Materialien gibt es zuhauf und sie werden immer mehr. Das MIT stellt Open Course Ware seit 2001 online. Das Bundesministerium für Wissenschaft fordert und fördert die Open-Access-Publikation von Forschungsergebnissen, welche die Grundlage für universitäre Lehre sind. Und im Bereich Open Educational Resources tut sich in Deutschland mittlerweile eine ganze Menge, auch wenn es im internationalen Vergleich etwas gedauert hat.

Kleine Innovation, große Wirkung: welche Effekte sind zu erwarten. Die VG Wort nimmt derzeit jährlich ca. 1,2 Mio. EUR aus Intranetnutzungen an Hochschulen ein. Dieses Geld kann eingespart werden. Die VG Wort bekommt ca. 1 Mio. EUR weniger pro Jahr (bei Einnahmen insgesamt von 140 Mio. EUR verschmerzbar); die Wissenschaftsministerien der Länder können (zusammen!) 1 Mio. EUR mehr in die Unis stecken (also noch nicht mal eine Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters pro Bundesland).

Die Leidtragenden sind die Lehrbuchverlage und die Studierenden. Für Wissenschaftler ist es in Zeiten von "publish or perish" ohnehin kontraproduktiv, Aufwand in die Erstellung (nicht-englischsprachiger) Lehrbücher zu stecken. Der Bärendienst, den die VG Wort den Verlagen dadurch erweist, implizit OER in Deutschland zu pushen, wird die Verlagslandschaft in dem Bereich nachhaltig verändern.



Mittwoch, 4. Mai 2016

Digitalisierung von Unis bei ARD Alpha Campus Magazin: Virtual Reality, Datensicherheit und Kiron

BR Alpha hat 3 Beiträge über die Digitalisierung von Universitäten erstellt, die auf der Webseite des Campus Magazins bzw. direkt unter diesen drei Links zu finden sind:




1. Virtual Reality an der Uni
http://br.de/s/2Fw09b7

2. Datensicherheit an der Uni
http://br.de/s/2Fx1SKy

3. Online-Uni Kiron
http://br.de/s/2Fvcyfn


Den letzten Beitrag finde ich natürlich besonders spannend, weil er direkt auf meine früheren Blogbeiträge referenziert. Mein "Mem" von Kiron als iTunes der Lehre hat auch seinen Weg in den Beitrag gefunden...

Freitag, 1. April 2016

E-Science: Informatik ist Muss als Grundlage für alle Wissenschaften

Albert Einstein nutzte eine Kreidetafel. Heutige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler brauchen Informatik.

In den Erd- und Umweltwissenschaften liefern Satelliten und Sensornetzwerke kontinuierlich massive Datenströme. Von den Sentinel-Satelliten des Europäischen Copernicus-Programms werden beim Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) bis zu zehn Terabyte pro Tag archiviert und verarbeitet. Am Deutschen Klimarechenzentrum (DKRZ) wird durch Klimasimulationen ein jährliches Datenwachstum von etwa 75 Petabyte erzeugt.
Lebenswissenschaften wie Molekularbiologie, Biomedizin oder Lebensmitteltechnologie können durch die Untersuchung molekularer Prozesse auf der Basis von Genom-Daten ein neues Verständnis von Lebensvorgängen erreichen. Dies kann zu maßgeschneiderten Therapien in der Medizin führen oder die Züchtung robuster und ertragreicher Nutzpflanzen ermöglichen. Die dafür notwendige Datenmenge ist allein im European Bioinformatics Institute (EBI) von 15 auf 25 Petabyte im Jahr 2015 angestiegen.
Um die Datenmengen aktueller Forschung verarbeiten zu können, stellt z.B. die European Grid Infrastructure (EGI) 530,000 logische CPUs, 200 Petabyte Festplattenspeicher und 300 Petabyte Bandlaufwerke zur Verfügung. Diese Ressourcen werden gemeinschaftlich von 350 Rechenzentren in 56 Ländern der Welt betrieben. EGI ist nur möglich durch leistungsfähige Datenbanken, schnelle Rechnernetze und hohe Parallelität.
Die Ergebnisse der Informatik verändern in allen Wissenschaftsbereichen technologische Rahmenbedingungen und die Art und Weise wie Forschung durchgeführt wird. Sie verändern damit auch Kostenstrukturen und schaffen verbesserte Grundlagen für Forschung und Innovation. Studien zeigen, dass der Mehrwert einer effizienten IT-Infrastruktur um das Zwanzigfache höher sein kann als deren operationelle Kosten.

Sonntag, 21. Februar 2016

Rekombination oder Akkreditierung - für einen Weg müssen wir uns entscheiden

In einem früheren Blogeintrag habe ich Kiron als das iTunes der digitalen Hochschullehre bezeichnet, da es Studierenden ermöglicht, sich durch Rekombination von Lehrveranstaltungen ein eigenes Curriculum zusammenzustellen.

Oliver Janoschka hat mir daraufhin auf dem HFD-Slack entgegnet, dass das ja nichts Schlechtes sein muss. Immerhin geht es der Musikindustrie dank iTunes jetzt besser als vorher. Aus Nutzersicht ist mehr Flexibilität möglich und es geht wirklich um "Studierendenzufriedenheit". Außerdem belebt Konkurrenz das Geschäft und zwingt starre Universitätsstrukturen vielleicht zu mehr Innovation. Alles richtig.

Einen Punkt möchte ich dennoch machen, und der zieht sich am ungeliebten Thema "Akkreditierung" hoch. Es gibt viel Bürokratisches, Unausgegorenes und Überflüssiges einer Akkreditierung von Studiengängen, was jeder nachvollziehen kann, der wie ich als Gutachter oder Studiengangverantwortlicher einen Akkreditierungsvorgang einmal mitgemacht hat.

Es gibt jedoch eine Grundidee bei der Akkreditierung, die (1) jenen nicht so fern sein sollte, die schon einmal eine Marketingvorlesung gehört haben und (2) sich um AACSB, EQUIS oder ähnliche international anerkannte Siegel dreht. Im Prinzip sendet eine erfolgreiche Akkreditierung ein Qualitätssignal aus, welches zeigt: "hier gibt es eine durchdachte Ausbildung von A bis Z, mit zusammenpassenden Modulen, die jemand mit Verstand zu einem Studiengang zusammengesetzt hat". Das umfasst gute und schlechte Vorlesungen und Professoren, online-fähige und nur offline verfügbare. Es bildet eine Marke für das Curriculum, für den Standort, für die Gruppe aller Dozentinnen und Dozenten an diesem Standort. Wer Akkreditierung ernst nimmt, arbeitet genau an dieser Marke und an diesem Selbstverständnis. International werden diese Akkreditierungen als Grundlage für Hochschulkooperationen und Studierendenaustausche manchmal sogar vorausgesetzt.

Und jetzt kommen wir noch einmal zurück zur Rekombination von Lehrinhalten durch "Online-Universitäten". Wer genau setzt denn hier "mit Verstand" den Studiengang zusammen? Der Algorithmus? Der Studierende selbst (der nur bei höchst optimistischer Sichtweise nach Inhalten geht, ansonsten wie an der normalen Uni nach kolportierten Durchschnittsnoten)? Der Dozent, der dadurch in einen Zwiespalt kommt, seine Ressourcen auf die Studierenden seiner eigenen Universität (die vielleicht wegen des Qualitätssignals dorthin gekommen sind) und seine Onlinehörer verteilen zu müssen?

Wenn wir Rekombination a la Kiron ernst nehmen, dann brauchen wir ein neues Geschäftsmodell für die Akkreditierung. Sonst ist sie nicht nur nicht effizient, so wie jetzt, sondern wird auch nie effektiv. Entweder begreifen wir ein Studium als Persönlichkeitsbildung, dann macht es Sinn, am Ganzen zu arbeiten, an einer Folge aus Lehrveranstaltungen, die eben nicht durch den Studierenden selbst kuratiert werden, sondern durch den Lehrer. Das verlangt ein Qualitätssignal durch die Institution selbst. Oder wir Hochschullehrer werden Freelancer, liefern einem Dritten zu, der dann selber eine Marke bildet - ohne unser Zutun. Es liegt in unserer Hand.

Mittwoch, 17. Februar 2016

Journalisten und Universitäten als Lotsen in Medien-Massen

In der aktuellen ZEIT vom 15. Februar 2016 ist ein Interview mit dem Verleger Georg von Holtzbrink zu lesen, der gefragt wurde, ob Digital der Tod der gedruckten Zeitung wäre und darauf folgendes antwortet:

"Die Reichweiten bei uns steigen, wenn ich die echt verkauften Print- und Digitalabonnements zusammenrechne. [...] Den Lesern geht es in dieser globalisierten und unruhigen Welt immer mehr um Orientierung. Die erhält man nicht, wenn man sich nur aus der Masse der verfügbaren Informationen bedient. Man braucht auch Zeitungen und Medien, die Unwichtiges von Wichtigem trennen, die sauber recherchieren und treffend kommentieren. Das halte ich für viel, viel wichtiger als je zuvor. Viele Menschen sind heute durch das Trommelfeuer der Negativ-Nachrichten so verunsichert, dass ihnen jede Zuversicht fehlt oder dass sie gar Demagogen folgen. Qualitätsmedien kommt die große Aufgabe zu, der Bevölkerung bei der Einordnung der Probleme und Wirren zu helfen. Ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt."

Und jetzt ersetzen wir einmal: Leser durch Studierende und (Qualitäts)medien durch Universitäten bzw. Professoren. Dann liest sich das ganze so:

Frage: Sind digitale Lehrangebote der Tod der klassischen, physischen Universität?

Den Studierenden geht es in dieser globalisierten und unruhigen Welt immer mehr um Orientierung. Die erhält man nicht, wenn man sich nur aus der Masse der verfügbaren MOOCs und Wikipedia bedient. Man braucht auch Professorinnen und Professoren, die Unwichtiges von Wichtigem trennen, die sauber analysieren und treffend kommentieren. Das halte ich für viel, viel wichtiger als je zuvor. Viele Menschen sind heute durch das Trommelfeuer der Negativ-Nachrichten so verunsichert, dass ihnen jede Zuversicht fehlt oder dass sie gar Demagogen folgen. Universitäten kommt die große Aufgabe zu, Studierenden bei der Einordnung der Probleme und Wirren zu helfen.

Professur = (von lateinisch profiteri in der Bedeutung „sich öffentlich als Lehrer zu erkennen geben“) = Meinung wagen.

Montag, 15. Februar 2016

Der digitale Dualismus und die Mensa

Aus dem sehr lesenswerten Buch von Eduard Kaeser: "Trost der Langeweile", S.36:

"[...] die Gleichung "offline = real" ist grundfalsch. [...] Diese Einsicht ist so umwerfend neu nicht, aber dennoch aufschlussreich. Denn sie unterstreicht den fundamentalen Punkt: es gibt nicht eine Welt des Physischen und eine Welt des Digitalen. Es gibt eine einzige Welt, in der Atome und Bits Platz haben. [...] Die "Mischexistenz" ist der Normalzustand. Wer am Morgen zu Kaffee und Gipfeli auf dem Tablet liest, exemplifiziert diesen Normalzustand in seiner vollen Banalität: er nimmt sowohl Atome als auch Bits zu sich."

Wie wahr. Eine digitale Universität hat keine Mensa. Aber in meiner Bayreuther Mensa sitzen die Studierenden mit Tablets in der Hand und diskutieren.

#hfd16 - das Pferd vom falschen Ende aufgezäumt?

Vor einigen Tagen war ich beim Klausurtag des Hochschulforum Digitalisierung in Berlin. Ich bin immer noch sehr beeindruckt von der Qualität der Gespräche und den klugen Expertinnen und Experten. Nicht alle Universitäten Deutschlands haben den Schuss schon gehört, fürchte ich. Diejenigen, die da waren, sind vermutlich eine Avantgarde - was durchaus heißen kann, dass man zu weit voraus ist und vor lauter Missionswillen über das Ziel hinaus schießt. Das will ich, auch für mich selbst, natürlich nicht ausschließen.
Pausenblick beim Hochschulforum Digitalisierung
Auf der Rückfahrt von Berlin nach Bayreuth bin ich dann allerdings doch ins Grübeln gekommen. Warum habe ich mich den ganzen Tag nur über E-Learning und MOOCs unterhalten? War Digitalisierung nicht mal dieses Ding, das ganze Branchen mit einem Fingerschnipp eines disruptiven Geschäftsmodells über den Haufen wirft? Ein gesellschaftliches und kulturelles Phänomen, welches unser Leben von morgen ganz anders aussehen lässt als das von heute?

HFD fokussiert derzeit auf die Lehre an Hochschulen. Das ist zu kurz gedacht. Digitalisierung bedeutet Veränderungen in der Art, wie wir Forschung betreiben und wie wir Forschungsergebnisse in Lehrinhalte umwandeln. Digitalisierung bietet Chancen, um effizient zu arbeiten -- einerseits um den Aufwand, den wir heute betreiben (müssen), um die Organisation Universität am Laufen zu halten, zu verringern. Andererseits: Digitalisierung ist Teil einer Strategie einer Universität in Forschung und Lehre - Universitäten, die ihren Wissenschaftlerinnen keine digitalen Zugänge, Forschungsressourcen, Kooperationsmöglichkeiten usw. bieten können, werden im Wettbewerb um die klügsten Köpfe verlieren.

Samstag, 6. Februar 2016

Kiron - das iTunes der universitären Lehre?

Kiron könnte das iTunes der universitären Ausbildung werden. Damit meine ich nicht die Aussichten auf Geld oder Bedeutung in der Welt. Es kann gut sein, dass es Kiron in einem Jahr nicht mehr gibt. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass es einen Nachfolger geben wird.

Kiron ist der erste Vorbote eines disruptiven Geschäftsmodells, welches eine Branche, die ein seit Jahrhunderten tradiertes Vorgehen pflegt, ziemlich durcheinander wirbeln könnte. Insofern steht es in einer Reihe mit Uber oder Airbnb, auch wenn es von deren ökonomischen Möglichkeiten noch weit entfernt ist.

Das Geschäftsmodell von Kiron ist die Aggregation und Koordination von Inhalten Dritter, so wie es Uber mit Autofahrten, Airbnb mit Wohnungen und Facebook mit persönlichen Nachrichten betreibt. Kiron aggregiert Lehrinhalte, die Universitäten weltweit in gutem Glauben und mit guten Absichten (bisher) kostenlos auf dem Netz veröffentlichen. Während Coursera oder Udacity als reine Plattformen gestartet sind, hat Kiron den Anspruch, aus den verfügbaren Materialien neue virtuelle Studiengänge zu bauen, deren Qualität besser ist als die der ursprünglichen Quellen. 

Und seien wir ehrlich: wer von uns hätte nicht am liebsten an einer Universität studiert, an der nur die besten Wissenschaftlerinnen lehren? An einer einzigen physischen Universität ist dies nicht möglich, dafür sind exzellente Wissenschaftler zu sehr über die ganze Welt verstreut. Indem ich deren MOOCs aggregiere, kann ich jedoch eine virtuelle Universität bauen. Ich filetiere die Studiengänge realer Universitäten und setze sie in Kiron neu zusammen. 

Das ist genau das, was iTunes mit den CDs gemacht hat. Auf einmal hatte jeder die Möglichkeit, aus einer CD nur die Lieder herauszugreifen, die er oder sie gut findet. Jeder Hörer kann sich seine Lieblingsmusik mixen und neu zusammenstellen. Die Komponisten verlieren dadurch aber ein wichtiges Element früherer Zeiten - die Zusammenstellung der Lieder in zeitlicher oder inhaltlicher Reihenfolge. Goodbye Konzeptalbum - Pet Sounds, Sergeant Pepper, Rocky Horror. Einzelne Lieder kennt jeder, aber die Reihenfolge?

Hallo Kiron. Goodbye Studiengänge?

Universitäre Lehre - alles neu macht die Digitalisierung?

Das Internet verändert die Rollen von Lernenden und Lehrenden. Lernende finden immer mehr Wissen im Internet, so dass die Notwendigkeit der reinen Wissensvermittlung durch die Lehrenden (ex cathedra) zurückgeht. Allerdings ist die Qualität der Internet-Informationen sehr unterschiedlich. Die Lehrenden müssen daher zunehmend die Position eines vertrauenswürdigen Lotsen einnehmen, um einzuordnen, zu strukturieren und durch Übungen zu vertiefen. Solche Konzepte nennen sich zum Beispiel flipped classroom oder inverted teaching, müssen aber erst erlernt werden. Die zunehmende Ausstattung von Studierenden mit internetfähigen Smartphones eröffnet die Möglichkeit, mit diesen Geräten auf dem Campus und in den Hörsälen zu arbeiten. Sogenannte Classroom Response Systeme können sogar in Veranstaltungen mit mehreren hundert Studierenden eine direkte Interaktion und Wissensabfrage im Hörsaal schaffen. Gemeinsam mit dem Fortbildungszentrum Hochschullehre (FBZHL) bietet die Universität Bayreuth ihren Lehrenden bereits Weiterbildungen dazu an.

Wie vorteilhaft der Online-Zugriff auf Lerninhalte sein kann, zeigt sich beispielhaft am Problem der Studierendenmobilität, welches durch die unterschiedlichen Semesterzeiten in Deutschland und im Ausland entsteht. Dies führt manchmal dazu, dass unsere Studierenden mitten im Semester der ausländischen Universität auftauchen und die Hälfte der Veranstaltung dort nacharbeiten müssen. Wenn Lerninhalte bereits vorab online von Bayreuth aus zugreifbar sind, klappt das Einfädeln in den laufenden Vorlesungsbetrieb auf beiden Seiten besser.

Die neuen, von der Digitalisierung eröffneten Möglichkeiten sollten nicht von vornherein durch diffuse Ängste bezüglich des Datenschutzes oder anderer Sicherheitsprobleme zerredet werden. In der Forschung ist es an der Tagesordnung, dass aus Daten von Umfragen oder Laborversuchen Schlüsse für die nächste, veränderte Untersuchung gezogen werden. Mit Daten aus Lehrveranstaltungen und Klausuren lassen sich Lehr- und Lernprozesse analysieren und verbessern. Wer an der Universität unterrichtet, weiß manchmal nicht zu sagen, warum ein bestimmter Jahrgang signifikant besser oder schlechter in einer Klausur abgeschnitten hat als der vorher. Liegt es an einer anderen zeitlichen Organisation der Veranstaltung oder einer zusätzlichen Laboreinheit? Eine Einhaltung des Datenschutzes vorausgesetzt, können aus Lehrdaten Erkenntnisse abgeleitet werden, welche die Lehre verbessern helfen. Dies sollte nicht von vornherein kategorisch ausgeschlossen werden.

Der gegenwärtige Hype in Bezug auf Vorlesungen, die vollständig im Internet gehalten und von Tausenden Hörern gleichzeitig global abgerufen werden, verstellt allerdings den Blick auf die realen Bedürfnisse unserer eigenen Studierenden. Zusätzlich und komplementär zu Veranstaltungen auf unserem Campus mag es sinnvoll sein, solche sogenannten MOOCs (Massive Open Online Courses) – oder auch: Kurse bei der Virtuellen Hochschule Bayern oder bei der Fernuni Hagen – zu belegen und sein Wissen damit zu verbreitern. Aber den realen Campus und die Vielfalt an Begegnungen, den wissenschaftlichen Austausch im persönlichen Gespräch und die individuelle Betreuung unserer Studierenden kann dies nicht ersetzen.

Digitalisierung an einer Campus-Universität

Die Digitalisierung schafft nicht per se einen Mehrwert, sondern erst unser intelligenter Umgang damit. Das gilt auch für den Einsatz digitaler Technologien in Forschung und Lehre, Laboren und Hörsälen. Erst kürzlich hat das Hochschulforum Digitalisierung, eine gemeinsame Plattform von Stifterverband, Hochschulrektorenkonferenz und dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) 20 Thesen zur Digitalisierung der Hochschulbildung veröffentlicht. Einige, aber nicht alle dieser Thesen treffen auch auf die Universität Bayreuth zu und fordern uns zum Handeln auf.

Die wichtigste Feststellung findet sich gleich zu Beginn: „Die digitale Hochschule gibt es nicht. Die Digitalisierung stößt einen weiteren, umfassenden Differenzierungsprozess im Hochschulsystem an.“ Es ist ein Märchen, dass in Zukunft alle Lehrinhalte nur noch online angeboten werden. Gerade unsere Universität lebt von realen, echten Begegnungen zwischen Studierenden, Lehrenden und Forschenden unterschiedlicher Disziplinen. Unser Bayreuther Campus, die Mensa, das Glashaus, der Ökonomiekongress sind beispielhafte physische Orte dieser Begegnungen, welche den Flair und das Wir-Gefühl unserer Universität ausmachen. Dies wird auch in Zukunft ein wesentliches Argument für neue Studierende und junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sein, nach Bayreuth zu kommen.

Warum die Universitäten die Digitalisierung nicht der Wirtschaft überlassen können

Das Schlagwort von der „digitalen Revolution“ ist zum Inbegriff für alle diejenigen Veränderungen geworden, welche die allgegenwärtige Verfügbarkeit von Informationstechnologie und Internet in unser persönliches Leben, unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaftstätigkeit bringt. Sind Universitäten ein besonders geeigneter Ort, um sich vertieft mit dem Thema Digitalisierung auseinanderzusetzen? Unbedingt. Der Autor und Satiriker Douglas Adams, bekannt durch das Buch „Per Anhalter durch die Galaxis“, hat unsere menschlichen Reaktionen auf neue Technologien einmal so zusammengefasst:

  • Alles, was in der Welt ist wenn wir geboren werden, ist normal, alltäglich und gehört zum natürlichen Lauf der Welt.
  • Alles was erfunden wird wenn wir zwischen 15 und 35 sind, ist neu, aufregend, revolutionär, und man kann vermutlich eine Karriere darauf aufbauen.
  • Alles was nach unserem 35. Geburtstag erfunden wird, steht gegen die natürliche Ordnung der Dinge. 
Wenn wir auf unseren Campus sehen, welche Menschen treffen wir bei uns an? Die meisten von ihnen sind vermutlich zwischen 15 und 35 Jahre alt. Sie alle sind interessiert an Neuem, Aufregendem und Revolutionärem – denn sonst wären sie nicht hier an der Universität. Und eine Karriere suchen sie auch, ob in der Wissenschaft oder außerhalb der Universität. Die Universität kann ein Rüstzeug mitgeben, eine Struktur lehren, den Umgang mit den Technologien einüben lassen. Wenn die Digitalisierung nicht auf unserem Campus zuerst etwas Neues schafft – wo denn dann?

Warum Digitalisierung ein zentrales Thema für Universitäten ist


Das Thema Digitalisierung nimmt derzeit breiten Raum in den Wirtschaftsteilen und Feuilletons, in Festreden und politischen Agenden ein. Dabei geht es vor allem um die Selbstverständlichkeit, mit der wir Mobiltelefone, Wikipedia, Navigationssysteme, Facebook und Google in unseren Alltag integrieren. Diese Technologien verändern unmerklich unseren alltäglichen Umgang miteinander. Wen wir als Freund bezeichnen, wem wir vertrauen, woher wir glaubhafte Informationen bekommen und von wem wir lernen, ist kein Thema von Automatisierung oder Industrie 4.0 – aber es ist zentral für die Digitalisierung. Der Informationsraum, der uns umgibt, wird ein sozialer Handlungsraum: Wir kommunizieren, befreunden, verlieben und streiten uns dort, wir diskutieren Ideen, folgen Themen und bieten selber Wissenswertes an. Verglichen mit früher, ohne Internet, wird unsere Umgebung größer, komplexer und unübersichtlicher – auch risikoreicher. 

Aber dieser Informationsraum bietet zugleich Chancen und neue Möglichkeiten: für Lernende und Studierende, Innovatoren und schöpferische Zerstörer, Unternehmensgründer und Unternehmungslustige. Innovationen, die aus der Digitalisierung hervorkommen und uns beeindrucken, schöpfen ihre gestalterische Kraft daraus, wie sie Menschen zusammen bringen und es ihnen ermöglichen, sich miteinander zu vernetzen.

Gerade auch in diesem Sinne will die Universität Bayreuth ein Zentrum für Innovationen sein: ein Ort, der Menschen mit verschiedensten Talenten, Interessen und Lebensentwürfen verbindet und fördert und dafür eine leistungsfähige Infrastruktur bereitstellt. In diesem Blog möchte ich deutlich machen, welche erfolgreichen und vielversprechenden Entwicklungen in Forschung und Lehre daraus hervorgehen können.