Samstag, 6. Februar 2016

Universitäre Lehre - alles neu macht die Digitalisierung?

Das Internet verändert die Rollen von Lernenden und Lehrenden. Lernende finden immer mehr Wissen im Internet, so dass die Notwendigkeit der reinen Wissensvermittlung durch die Lehrenden (ex cathedra) zurückgeht. Allerdings ist die Qualität der Internet-Informationen sehr unterschiedlich. Die Lehrenden müssen daher zunehmend die Position eines vertrauenswürdigen Lotsen einnehmen, um einzuordnen, zu strukturieren und durch Übungen zu vertiefen. Solche Konzepte nennen sich zum Beispiel flipped classroom oder inverted teaching, müssen aber erst erlernt werden. Die zunehmende Ausstattung von Studierenden mit internetfähigen Smartphones eröffnet die Möglichkeit, mit diesen Geräten auf dem Campus und in den Hörsälen zu arbeiten. Sogenannte Classroom Response Systeme können sogar in Veranstaltungen mit mehreren hundert Studierenden eine direkte Interaktion und Wissensabfrage im Hörsaal schaffen. Gemeinsam mit dem Fortbildungszentrum Hochschullehre (FBZHL) bietet die Universität Bayreuth ihren Lehrenden bereits Weiterbildungen dazu an.

Wie vorteilhaft der Online-Zugriff auf Lerninhalte sein kann, zeigt sich beispielhaft am Problem der Studierendenmobilität, welches durch die unterschiedlichen Semesterzeiten in Deutschland und im Ausland entsteht. Dies führt manchmal dazu, dass unsere Studierenden mitten im Semester der ausländischen Universität auftauchen und die Hälfte der Veranstaltung dort nacharbeiten müssen. Wenn Lerninhalte bereits vorab online von Bayreuth aus zugreifbar sind, klappt das Einfädeln in den laufenden Vorlesungsbetrieb auf beiden Seiten besser.

Die neuen, von der Digitalisierung eröffneten Möglichkeiten sollten nicht von vornherein durch diffuse Ängste bezüglich des Datenschutzes oder anderer Sicherheitsprobleme zerredet werden. In der Forschung ist es an der Tagesordnung, dass aus Daten von Umfragen oder Laborversuchen Schlüsse für die nächste, veränderte Untersuchung gezogen werden. Mit Daten aus Lehrveranstaltungen und Klausuren lassen sich Lehr- und Lernprozesse analysieren und verbessern. Wer an der Universität unterrichtet, weiß manchmal nicht zu sagen, warum ein bestimmter Jahrgang signifikant besser oder schlechter in einer Klausur abgeschnitten hat als der vorher. Liegt es an einer anderen zeitlichen Organisation der Veranstaltung oder einer zusätzlichen Laboreinheit? Eine Einhaltung des Datenschutzes vorausgesetzt, können aus Lehrdaten Erkenntnisse abgeleitet werden, welche die Lehre verbessern helfen. Dies sollte nicht von vornherein kategorisch ausgeschlossen werden.

Der gegenwärtige Hype in Bezug auf Vorlesungen, die vollständig im Internet gehalten und von Tausenden Hörern gleichzeitig global abgerufen werden, verstellt allerdings den Blick auf die realen Bedürfnisse unserer eigenen Studierenden. Zusätzlich und komplementär zu Veranstaltungen auf unserem Campus mag es sinnvoll sein, solche sogenannten MOOCs (Massive Open Online Courses) – oder auch: Kurse bei der Virtuellen Hochschule Bayern oder bei der Fernuni Hagen – zu belegen und sein Wissen damit zu verbreitern. Aber den realen Campus und die Vielfalt an Begegnungen, den wissenschaftlichen Austausch im persönlichen Gespräch und die individuelle Betreuung unserer Studierenden kann dies nicht ersetzen.

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