In einem früheren Blogeintrag habe ich Kiron als das iTunes der digitalen Hochschullehre bezeichnet, da es Studierenden ermöglicht, sich durch Rekombination von Lehrveranstaltungen ein eigenes Curriculum zusammenzustellen.
Oliver Janoschka hat mir daraufhin auf dem HFD-Slack entgegnet, dass das ja nichts Schlechtes sein muss. Immerhin geht es der Musikindustrie dank iTunes jetzt besser als vorher. Aus Nutzersicht ist mehr Flexibilität möglich und es geht wirklich um "Studierendenzufriedenheit". Außerdem belebt Konkurrenz das Geschäft und zwingt starre Universitätsstrukturen vielleicht zu mehr Innovation. Alles richtig.
Einen Punkt möchte ich dennoch machen, und der zieht sich am ungeliebten Thema "Akkreditierung" hoch. Es gibt viel Bürokratisches, Unausgegorenes und Überflüssiges einer Akkreditierung von Studiengängen, was jeder nachvollziehen kann, der wie ich als Gutachter oder Studiengangverantwortlicher einen Akkreditierungsvorgang einmal mitgemacht hat.
Es gibt jedoch eine Grundidee bei der Akkreditierung, die (1) jenen nicht so fern sein sollte, die schon einmal eine Marketingvorlesung gehört haben und (2) sich um AACSB, EQUIS oder ähnliche international anerkannte Siegel dreht. Im Prinzip sendet eine erfolgreiche Akkreditierung ein Qualitätssignal aus, welches zeigt: "hier gibt es eine durchdachte Ausbildung von A bis Z, mit zusammenpassenden Modulen, die jemand mit Verstand zu einem Studiengang zusammengesetzt hat". Das umfasst gute und schlechte Vorlesungen und Professoren, online-fähige und nur offline verfügbare. Es bildet eine Marke für das Curriculum, für den Standort, für die Gruppe aller Dozentinnen und Dozenten an diesem Standort. Wer Akkreditierung ernst nimmt, arbeitet genau an dieser Marke und an diesem Selbstverständnis. International werden diese Akkreditierungen als Grundlage für Hochschulkooperationen und Studierendenaustausche manchmal sogar vorausgesetzt.
Und jetzt kommen wir noch einmal zurück zur Rekombination von Lehrinhalten durch "Online-Universitäten". Wer genau setzt denn hier "mit Verstand" den Studiengang zusammen? Der Algorithmus? Der Studierende selbst (der nur bei höchst optimistischer Sichtweise nach Inhalten geht, ansonsten wie an der normalen Uni nach kolportierten Durchschnittsnoten)? Der Dozent, der dadurch in einen Zwiespalt kommt, seine Ressourcen auf die Studierenden seiner eigenen Universität (die vielleicht wegen des Qualitätssignals dorthin gekommen sind) und seine Onlinehörer verteilen zu müssen?
Wenn wir Rekombination a la Kiron ernst nehmen, dann brauchen wir ein neues Geschäftsmodell für die Akkreditierung. Sonst ist sie nicht nur nicht effizient, so wie jetzt, sondern wird auch nie effektiv. Entweder begreifen wir ein Studium als Persönlichkeitsbildung, dann macht es Sinn, am Ganzen zu arbeiten, an einer Folge aus Lehrveranstaltungen, die eben nicht durch den Studierenden selbst kuratiert werden, sondern durch den Lehrer. Das verlangt ein Qualitätssignal durch die Institution selbst. Oder wir Hochschullehrer werden Freelancer, liefern einem Dritten zu, der dann selber eine Marke bildet - ohne unser Zutun. Es liegt in unserer Hand.
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