Dienstag, 29. November 2022

Digitalisierungsstand 2022 - wo stehen die Universitäten, was ist zu tun

In diesem etwas längeren Beitrag möchte ich gerne darstellen, wo wir nach der Pandemie stehen, was wir erreicht haben, und was nach der Absage des Digitalpakts dennoch die nächsten Schritte sein müssten. Ich vertrete hier wieder einmal die Sicht eines CIO einer Hochschule, d.h. stelle nicht das Lernen in den Vordergrund, sondern die Leistungsfähigkeit und Digitalstrategie der Hochschule insgesamt.

Wo stehen die deutschen Hochschulen bei der Digitalisierung und welches Ziel ist aus meiner Sicht perspektivisch anzustreben?

Die Hochschulen haben ausgelöst durch die Corona-Pandemie im Bereich der Digitalisierung von Lehrveranstaltungen einen großen Sprung nach vorne gemacht. Lehrende stehen der Erstellung digitaler oder hybrider Lehrangeboten aufgeschlossener gegenüber, Flipped Classroom oder Fernprüfungen wurden zumindest testweise eingeführt. Die meisten Studierenden finden diese Angebote gut und fragen sie auch nach Corona aktiv nach, als Zusatzangebot oder sogar Ersatz von Präsenzalternativen. 

Weiterhin wurden, um den Universitätsbeschäftigten die Arbeit aus dem Home Office zu ermöglichen, viele, aber nicht alle Prozesse digitalisiert. Videokonferenzen, Dokumentenmanagement, Formularserver und VPN-Verbindungen erlauben als technische Möglichkeiten, Personal- und Finanzprozesse auch im Verwaltungsbereich sicher abzuwickeln. Auch hier entsteht nach Corona eine Erwartungshaltung, diese neue Arbeitsumgebung beizubehalten und weiter auszubauen.

Diese Entwicklung ist nicht anders zu betrachten als in anderen Branchen: Nutzer, Kunden, Bürger sind mittlerweile an digitale Dienste gewöhnt, die am besten 24/7/365 verfügbar sind. Ziel muss es daher für die Hochschulen sein, die verfügbaren Personal- und Technikressourcen den neuen Anforderungen anzupassen -- diese sind nämlich während der Pandemie nicht mitgewachsen.

Was sind aus meiner Sicht die wesentlichen Herausforderungen und Hemmnisse, denen die deutschen Hochschulen ganz aktuell im Zuge der Digitalisierung gegenüberstehen?

Die gestiegenen Erwartungen der IT-Nutzer der Hochschulen an die Universitäten treffen auf eine unveränderte Personallage in den Rechenzentren und eine ebensolche Finanzsituation. Während der Corona-Pandemie sind digitale Dienste hinzugekommen, Hardware (Videoserver) erweitert und Softwarelizenzen (Zoom, MS365 Campuslizenzen) in großen Zahlen beschafft worden. Die daraus resultierenden zusätzlichen Aufgaben sind in den Rechenzentren mit hohem Aufwand ad hoc bewältigt worden; nach der Pandemie werden Server und Lizenzen aber dauerhaft weiterbetrieben.

Was als Projekt gestartet ist, geht in den Normalbetrieb über und benötigt dauerhafte Unterstützung. Und neue Anforderungen stehen bereits vor der Tür: Analysebasierte Lernsteuerung (Student Success /Relationship Management, Learning Analytics), nationale Anbindung an NFDI und OZG-Verfahren, internationale Anbindung z.B. an EMREX. Die Förderprogramme z.B. für mehr KI-Professuren erzeugen mehr Ressourcenbedarf für Digitalisierung im Forschungsbereich (High Performance Computing). Dies sind keine einmaligen Projekte, sondern auf Dauer angelegte Fachverfahren, die von den Hochschulen auch betreut werden müssen.

Gleichzeitig hemmen gewachsene Strukturen eine größere Arbeitsteilung untereinander. Fast jede Hochschule betreibt ein eigenes Rechenzentrum. Die qualitativen Anforderungen an die dortigen Stellen sind jedoch stark gewachsen. Die Aufgaben verändern sich vom reinen IT-Betrieb hin zur inhaltlichen Unterstützung der Anwender in Lehre und Forschung. Mit zunehmender Nutzung von Cloud-Diensten fällt der eigene IT-Betrieb sogar teilweise weg, das Rechenzentrum wandelt sich zum IT-Servicezentrum. Diese Entwicklung ist eigentlich positiv, denn der Betrieb eigener Mail-, Web- oder Moodle-Server „on premise“ stellt für die Hochschulen keinen Wettbewerbsvorteil mehr dar – im Gegenteil werden Ressourcen gebunden, die besser und individueller den Nutzern der Hochschule zugutekommen könnten. Diese allgemeinen Dienste könnten durch einen gemeinsamen IT-Betrieb mehrerer Hochschulen (Private Cloud) in digitaler Souveränität erbracht werden; länderweise Organisation bietet sich an. Derzeit gibt es aber für eine standortübergreifende Kooperation mit anderen Hochschulen aus Sicht der einzelnen Hochschule keinen ökonomischen Grund, da der Bezug von IT-Dienstleistungen als umsatzsteuerpflichtig angesehen werden kann, die Beschaffung eigener Hardware hingegen  mit 50% von der DFG bezuschusst wird.

Welche Hebel und Stellschrauben sehe ich, um diesen Herausforderungen zu begegnen? 

Zum Ersten muss es durch ökonomische und steuerliche Anreize gelingen, dass die Zusammenarbeit der Hochschulen in Hochschulkooperationen bzw. Digitalverbünden attraktiver gestaltet wird als ein Alleingang. Dazu gehört eine Betonung

  1. von lokalen Implementierungs- und Schnittstellenprojekten, die Hochschulen an nationale und internationale Datendrehscheiben anbinden: NFDI, OZG, EMREX. Diese müssen die spezielle Situation und die Anwendungssysteme jeder Hochschule betrachten. Auch wenn große Systeme wie HISinOne in der ihnen eigenen Entwicklungsgeschwindigkeit Schnittstellen entwickeln, so ist die konkrete Umsetzung vor Ort je nach Anwendungsportfolio unterschiedlich aufwendig oder dringend. Für diese lokale Anpassung fehlen häufig Ressourcen.
  2. der Schaffung gemeinsamer Servicestellen, welche die Hochschulen operativ (!) entlasten. Beispiele sind Rechtsberatung (Lizenzrecht, Datenschutzrecht, gemeinsame rechtliche Vertretung ggü. Lizenzgebern usw.), IT-Einkauf (Bewirtschaftung von Rahmenverträgen bis hin zur Anbindung an Einkaufssysteme der einzelnen Hochschule) oder IT-Sicherheit (Security Operations Center, Critical Emergency Response Team). Diese Servicestellen können länderspezifisch, aber auch länderübergreifend wirken.

Zum Zweiten entsteht durch die Förderung vieler digitaler Lehrprojekte (von StIL, BMBF usw.) ein Bedarf nach nachhaltiger Unterstützung derer technischer Implementierung. Das ist wiederum spezifisch für die einzelne Hochschule und wird zu einer dauerhaften Aufgabe im IT-Servicezentrum oder einer ähnlichen zentralen Stelle. Während bei den Förderprojekten im Lehrbereich die Didaktik, Konzeption und Durchführung einzelner Lehrveranstaltungen im Vordergrund steht, muss es hier um die Hintergrundaufgaben gehen: 

  1. z.B. eine nachhaltige Einbettung der Lehrprojekte in eine meist hochschulspezifische gesamte technisch-digitale Lehr-, Lern-, Prüfungs- und Lernanalysearchitektur;
  2. durch Anwendung von Student Success Management und Learning Analytics die datenschutzkonforme Realisierung datenbasierter Erkenntnisse und Interventionen, um z.B. Abbruchquoten zu minimieren.

Wo sehe ich einen besonderen Bedarf für ein hochschul- und länderübergreifend abgestimmtes Vorgehen, etwa zur Erschließung von Synergien, Vereinheitlichung von Schnittstellen oder Etablierung von Standards?

Viele der im vorhergehenden Abschnitt angesprochenen Maßnahmen können bereits durch Förderung innerhalb eines Bundeslandes angestoßen werden. Die Schaffung gemeinsamer Servicestellen wird z.B. im Digitalverbund Bayern durch Förderung des zuständigen Ministeriums realisiert. Für das Landesministerium ermöglicht dies eine gezielte und gebündelte Förderung einzelner Themengebiete, setzt allerdings eine vorherige Abstimmung und betriebliche Kooperation der Hochschulen voraus.

Einige Themen gehen jedoch über Ländergrenzen hinaus und müssen übergreifend, ggf. auch durch Anstoß auf Bundesebene unterstützt werden. Beispiele sind: 

  1. die Unterstützung des Karrierewegs Studierender mit den drei Übergängen: Schule auf Bachelorstudium, Bachelor- auf Masterstudium und Masterstudium auf Erstanstellung (im öffentlichen Dienst, z.B. Lehrer, Juristen). Bei jedem Schritt ist eine Mobilität über Ländergrenzen hinweg möglich. Derzeit sind Medienbrüche hierbei eher die Regel als die Ausnahme, d.h. die strukturierten Daten der einen Seite werden auszugsweise auf der empfangenden Seite wieder manuell eingegeben. Bei den beiden Übergängen „Schule auf Studium“ und „Studium auf Erstanstellung“ sind nicht alleine die Hochschulen gefragt, sondern eine Digitalisierung muss mit anderen Ministeriumsbereichen gemeinsam angegangen werden. Beim Übergang „Bachelor auf Master“ ist das allerdings anders. Hier könnten die Hochschulen von sich aus eine Vereinheitlichung von Schnittstellen anstoßen. Dies ist umso wichtiger, weil wegen Anrechnungsfragen und Eignungsfragen häufig das komplette Bachelorzeugnis strukturiert verarbeitet werden muss. (--> Vereinheitlichung von Schnittstellen)
  2. Die Unterstützungsmodalitäten von IT-Beschaffungen aus Bundesmitteln, was die DFG mit einschließt. Solange die Abrechnungsmodalitäten der einzelnen Hochschule eine Betrachtungsweise ermöglichen, welche eine isolierte Beschaffung austauschbarer IT-Standard-Hardware wie z.B. Mailserver günstiger zu stellen scheint als die Beschaffung von Diensten über eine Private oder Public Cloud, werden keine Kooperationsgewinne gehoben werden können. Die Logik, dass durch Bundes- oder Länderförderung der Kauf einer Mailserver-Hardware zu 50% bezuschusst wird, der Bezug von Maildiensten aus der Cloud aber mit 19% Umsatzsteuer belegt wird, führt isoliert betrachtet immer zur Beschaffung eigener Hardware; mit der daraus folgenden Notwendigkeit eigener Rechenräume, lokalem IT-Betriebspersonal, lokaler IT-Sicherheit und dem Ruf nach Ersatzinvestition nach wenigen Jahren. Die Unterstützungsmodalitäten müssen so geebnet sein, dass eine Entscheidung über „Make or Buy“ bezüglich IT-Dienstleistungen allein nach dem strategischen Interesse oder den operativen Ressourcenfähigkeiten der jeweiligen Hochschule getroffen werden kann. (--> Etablierung von Standards)
  3. Private Clouds im Sinne des vorherigen Absatzes können auch von Hochschulen oder Verbünden betrieben werden, nicht nur von kommerziellen Anbietern. Wenn in diesem Fall (IT-) Leistungen zwischen Hochschulen geteilt werden, gelten derzeit bundesrechtliche Vorgaben z.B. im Finanzbereich (Umsatzsteuerpflicht). Innerhalb eines Bundeslandes kann man die gegenseitige Leistungserbringung vielleicht als staatliche Aufgabe begreifen. Es müsste aber auch möglich sein, dass diese Leistungserbringung ländergrenzenübergreifend passieren kann. Ggf. erfordert das eine Änderung von Bundesgesetzgebung. (--> Etablierung von Standards)
  4. Die Analyse von Lerndaten erfordert schließlich eine Betrachtung und Auslegung der Datenschutzregeln, die am besten föderal harmonisiert erfolgen sollte. In einigen Bundesländern definiert das Hochschulgesetz, welche Daten zweckgebunden von den Studierenden erhoben werden sollen, um den Zweck der besseren Förderung des Studienerfolgs zu erfüllen. In verschiedenen Bundesländern gibt es jedoch verschiedene Auslegungen der zuständigen Datenschutzaufsicht, was mit diesen Daten angestellt werden darf. Hier sollte eine bundesweite Diskussion bessere Erkenntnisse liefern als sechzehn isolierte Diskussionen. (--> Erschließung von Synergien)

Fazit

Mit den Initiativen zur digitalen Lehre (vgl. Stiftung Innovation in der Hochschullehre) und digitalen Forschungsdaten (vgl. Nationale Forschungsdateninfrastruktur) hat Deutschland im Frontend an der Schnittstelle zu den Lehrenden und Forschenden bereits große Fortschritte und auch gute Erfahrungen gemacht. Was wir jetzt aufbauen müssen, ist das Backend, welches diese Initiativen auf Dauer auch am Laufen halten kann. Hier habe ich, hoffe ich, ein paar Vorschläge gemacht.

Montag, 31. Oktober 2022

EDUCASE TOP10 IT Issues: übertragbar auf die deutsche Hochschullandschaft?

EDUCAUSE, die amerikanische Vereinigung der Hochschul-CIOs, ist durchaus besser organisiert als ihre europäischen oder gar deutschen Pendants. Die Herausforderungen sind aber auch andere: die Hochschulen haben ökonomische Zwänge, leben von vollzahlenden Masterstudiengängen, sind daher auch schneller und konsequenter beim Abschneider alter, kostenträchtiger Zöpfe. Man fragt sich also jedes Mal, wenn man von EDUCAUSE liest: ist das US-spezifisch, oder trifft es auch für deutsche Hochschulen zu? Voilá, anbei die aktuellen TOP10 Themen der amerikanischen Hochschul-IT-Landschaft:

 

Den erklärenden Artikel dazu findet man unter https://er.educause.edu/articles/2022/10/top-10-it-issues-2023-foundation-models. Die drei abstrakten Felder "Führen mit Weisheit", die "Ultra-intelligente Institution" und "Alles ist überall" können wir einmal so übernehmen -- abstrakt genug ist es ja.

Hinter "Führen mit Weisheit" verbirgt sich ein Blick auf die Führungs- und Personalsituation der Hochschul-IT. Zuerst, nicht überraschend, (#1) die Forderung nach Einbezug in die strategische Planung. In Deutschland haben wir schon seit einiger Zeit, auch durch Untersuchungen von Markus von der Heyde, ein ganz gutes Bild über die Ausprägung von CIO-Funktionen in den Hochschulleitungen. Das können wir also unterschreiben. Der Umgang mit Talenten (#3) ist bei uns ebenfalls ein Problem. Hier steht uns zum Einen das deutsche Dienstrecht im Weg, welches marktübliche Bezahlungen deutlich erschwert. Zum anderen sind Aufstiegsmöglichkeiten selten und wenig flexibel. Unter diesen Bedingungen zu führen (#5) ist auch bei uns eine Herausforderung. Zusammengefasst: ja, alle drei Punkte treffen auch bei uns zu.

Die "ultra-intelligente Institution" kümmert sich um den Studienerfolg durch Nutzung von Data Analytics, sowohl innerhalb des Studiums (#4, #7) als auch bei den Bewerbungen (#6). Den Analysen auch Taten folgen zu lassen (#7), ist dabei nicht selbstverständlich. Learning Analytics ist auch bei uns ein durchaus heißes Thema, welches durch das teilweise sehr deutsch diskutierte Thema Datenschutz aber ein höheres Aufregungspotential birgt. Hier ist sicherlich interessant, welche Technologien mit welchem Erfolg in den USA eingesetzt werden -- Vorreiter sind wir da nicht. Interessant ist allerdings, dass die Schulung zu Privacy und Awareness (#2) zugleich als sehr wichtig eingestuft wird. Hier haben wir vermutlich genauso Nachholbedarf wie die amerikanischen Kolleginnen.

Schließlich gibt es unter "Alles ist überall" eine Wahrnehmung auf den Studienort und Arbeitsplatz Hochschule, der nicht so anders ist, post-Covid, als in allen anderen Branchen. Die Grenzen des Arbeitens (#8) und des Lernens (#9) verschwimmen; Menschen arbeiten von zuhause, Studierende tragen ihre digitale Lernumgebung als primäre Informationsquelle zuhause als auch in der Uni mit sich herum.  Anwendungssysteme können auch in der Cloud laufen (#10), nicht mehr nur auf den Servern des Rechenzentrums: eine Chance, kein Fehler.

Im Ergebnis: doch nicht so unterschiedlich. Vielleicht sollten wir uns auch mal mit den Kolleginnen von EDUCAUSE unterhalten?


Dienstag, 20. September 2022

Zwei neue Empfehlungen zur Digitalisierung der Hochschullehre -- von Ministerien, für Ministerien (1/2)

Im Sommer 2022 waren die deutschen Hochschulbildungsgremien nicht untätig. Zwei neue Empfehlungen wurden veröffentlicht. Im Juli 2022 gab der Wissenschaftsrat seine Empfehlungen zur Digitalisierung in Lehre und Studium heraus. Im September 2022 zog die Kultusministerkonferenz mit ihrem Gutachten zur Digitalisierung im Bildungssystem nach.

Wie die Titel der beiden Reports schon sagen, geht es nicht um die Digitalisierung der Universitätsverwaltung und auch nicht um eine digital unterstützte Forschung. Das ist wieder einmal schade und zu kurz gegriffen. Diese drei Bereiche müssen zusammen gedacht und behandelt werden!

In diesem ersten von zwei Blogposts geht es um das Gutachten der KMK.

Die Empfehlungen der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der KMK für den Bildungsbereich Hochschule sind in drei Bereichen gruppiert. Da in der KMK die Länderministerien über ihr eigenes Vorgehen diskutieren, richten sich die Empfehlungen an die Ministerien, nicht an die Hochschulen und nicht an deren einzelne Lehrende.

Die Stärkung digitaler Kompetenzen bei Studierenden und Dozierenden hätte ich mir gerne vor der Covid-Pandemie thematisiert gewünscht. Faktisch haben wir in den letzten beiden Jahren hier einen großen Sprung gemacht, und ich gehe davon aus, dass die beiden nächsten Abiturientenjahrgänge so viel Erfahrung aus dem Homeschooling mitbringen, dass wir darauf gut aufbauen können. Etwas wohlfeil ist der Ruf nach Fortbildung für Lehrende -- das ist an den meisten Hochschulen längst etabliert, aber es wird zu wenig genutzt. Das liegt auch an der Bequemlichkeit der Lehrenden, aber noch viel mehr an der mangelnden Anrechenbarkeit digitaler Lehre auf das Lehrdeputat. Die meisten Hochschulen können nicht selber entscheiden, wie das Lehrdeputat gestaltet wird. Hier sind die Länderministerien selbst gefragt!

Beim Aufbau technischer, räumlicher, fachdidaktischer und rechtlicher Strukturen sehe ich uns CIOs auf jeden Fall mit im Boot. Aber auch hier hängen wir von den Ministerien ab. Um BYOD  nutzbar zu macht, braucht es WLAN. Das ist dort schwierig zu installieren, wo wir Hörsäle im Inneren von Stahlbetongebäuden aus den 1970ern vorfinden. Davon gibt es leider nicht so wenige, und diese stehen seit Jahren auf der Bauliste der jeweiligen Länder. Auch für den Übergang zwischen dem physischen und dem digitalen Raum brauchen wir Baumaßnahmen, z.B. um Seminarräume mit Videokonferenztechnologie auszurüsten. Dass wir schließlich IT-Personal so bezahlen müssen, wie es am Personalmarkt üblich ist, sollte selbstverständlich sein, daran hindert uns aber das starre Stellenkorsett des öffentlichen Dienstes.

Die Empfehlung zur Entwicklung von Lehr- und Digitalisierungsstrategien gebe ich gerne weiter und verstärke sie sogar. Wir haben uns an der Uni Bayreuth bereits zum zweiten Mal eine eigene Digitale Agenda gegeben, die uns bis 2025 leiten soll. Gleichzeitig haben wir CIOs in Bayern für alle Hochschulen eine Digitalisierungsstrategie erstellt und setzen diese in einer hochschulübergreifenden Kooperation als Digitalverbund um. Die Empfehlung der KMK fokussiert eher auf den Austausch von Lehr- und Lernmaterial (Open Educational Resources); das ist mir zu kurz. Die wirkliche Musik in der Kooperation spielt finanziell in gemeinsamen Verwaltungsprozessen, z.B. im Einkauf, oder in der Zusammenarbeit in der IT-Sicherheit.







Freitag, 26. August 2022

Nach dem Ende der Pandemie folgt das Ende der Digitalisierung an den Unis -- oder nicht?

Das kollektive Aufatmen zu Beginn des Sommersemester 2022 war an meiner Universität deutlich hörbar. Endlich konnte wieder normale Präsenzlehre durchgeführt werden. Normale Klausuren, ohne Hilfsmittel und in großen Hörsälen wurden geschrieben. Die Lehrenden bauten die Influencerlampen auf ihren Schreibtischen ab, die sie zum Ausleuchten ihrer Vorlesungsaufzeichnungen verwendet hatten. Sitzungen von Fakultätsräten konnten auf mobile Videokonferenzkameras verzichten, deren Freisprecheinrichtungen die remote zugeschalteten Teilnehmer wegen des Halls sowieso nicht verstanden.

Alles wieder auf Anfang?

Nachdem die Corona Epidemie vorbei ist, könnte man auf die Idee gekommen, dass man auch der Digitalisierung der Universitäten Einhalt gebieten könnte. War es nicht mühsam und teuer mit der digitalen und hybriden Lehre? Könnte man nicht viel Geld sparen, indem die Zoom-Campuslizenz für alle aufgegeben, die Office365-Lizenz ohnehin wegen Bedenken der Datenschützer verboten und die Durchführung von Fernklausuren inkl. der Plagiatsüberprüfungen eingestellt wird?  

Es geht aber nicht nur um die Lehre. Auch in der Forschung möchten viele zurück in das Jahr 2019 und davor. Wissenschaftliche Konferenzen sollten wieder mit Flugzeugen angeflogen werden, oder? War es nicht schön, sich 24 Stunden in einen Flieger zu setzen um irgendwo in der Welt eine halbe Stunde zu 10 Zuhörern zu sprechen, die man vorher noch nie gesehen hatte und die keine Frage stellten? 

Diese kleine Überspitzung zeigt, dass es kein zurück gibt und auch nicht geben kann. Fast alle Konferenzen, die ich kenne, werden mittlerweile hybrid durchgeführt. Das ist für eine globale Verbreitung des Wissens absolut sinnvoll und erlaubt es dennoch denjenigen, die vor Ort teilnehmen, die so wichtige zwischenmenschliche Beziehung aufzubauen. Den richtigen Weg zur hybriden Lehre müssen wir aber noch finden. Das Pendel schwingt zurück in die andere Richtung, in eine vermeintlich bessere Vergangenheit.  Eine Welt in der alle Studierenden brav aufgereiht vor dem Dozenten im Hörsaal sitzen, wird als erstrebenswert angesehen. Es entspricht dem häufigen Normalfall vor der Corona-Pandemie und nährt so die Illusion von der guten alten Hochschulzeit. Vor dieser Art von Hörsaalromantik sollten wir uns hüten.

Dienstag, 23. August 2022

University professors manage a curated playlist

 The availability of all kinds of information on the Internet brings us to a new role for professors in university teaching. They become trusted intermediaries for knowledge acquisition.


As a professor, when I prepare new teaching materials for lectures, I naturally search the Internet for appropriate graphics, case studies, videos and other information. It is always amazing what material can be found there -- it ranges from incredibly well-prepared materials (e.g., Hans Rosling's TED Talks, which can be adopted almost unedited and in full beauty) to politically one-sided, colorized, or just plain wrong information. Using my knowledge and experience, I pick out the sound and credible media from this haystack and present it to my students in lecture.

The more external material I incorporate in this way, the more I create a playlist. In an earlier post, I did use the music analogy, and here it is similar. My students have a kind of basic trust in me as a lecturer, that the "music" I play will help them in their acquisition of knowledge.

*In the past* the lecturer was a "single source of truth", a "gatekeeper", who transferred exclusive information from the world of science into the teaching world. In the past, the only music I could hear was the music I played myself. In addition to this source, there was the library, also curated by a gatekeeper*, with further reading.

This world has changed. Similar to the transition from edited encyclopedias to unedited Wikipedia, the role of the former gatekeepers must change with it. We professors must drown out a growing background noise of dangerous half-knowledge as we attempt to share our knowledge. From all sides and even during lectures, our students are bombarded with unfiltered music, texts, and images on the very topics we want to teach, meticulously prepared and neatly supported with citations.

What do I have to do? Put my beautiful music against the ever louder noise and become louder myself, more pointed, more opinionated, more pointed, so that I can be heard? So that perhaps less balanced and less scientific? That can't be it.

Rather, I now see my task as compiling a playlist for students from the available music (= information from around the world). This playlist is curated, it can be followed, it can be liked, it brings my students closer to a topic -- in a natural process that is comprehensible to them and that is obviously gaining a foothold in other fields.

We just have to overcome the not invented here syndrome. That exists with professors, too, but that will be another post.

Translated with DeepL

German Universities and the cloud -- what do we need to do?

The accelerated digitization of German colleges and universities in 2020/2021, in response to the COVID19 pandemic, would not have been possible without the massive uptake of cloud offerings. Teaching via video conferencing systems such as Zoom, digital remote exams with and without proctoring, and collaborative work via collaboration systems such as Confluence or Microsoft Teams found their way into the normal working day virtually overnight. More digitization happened in a few weeks than in the years before. Cloud providers such as Zoom, Google, and Microsoft captured shares of the digitization budget to a much greater extent than ever before planned. It became very clear during this period that the pre-pandemic digital world was caught up with a reality for which the universities and their administrations, which were nevertheless quite slow to act, were not prepared in their basic structures.

Cloud services extend the IT services previously used in universities and are mostly provided by their own data centers. They can be set up quickly and decentrally on PCs and notebooks and used by university staff. They do not lead to the acquisition of new large-scale equipment in the data centers, but they do lead to demand for user support from existing IT staff.

Utilization of these additional options, which are intended to improve the attractiveness and competitiveness of a university, is only possible after fundamental, internal considerations. Whereas in the past a data center or IT department could decide for itself whether to introduce software, the use of cloud services raises strategic issues that can only be resolved at the level of university management. The relocation of parts of the IT infrastructure, including data storage "off-campus", has implications for digital sovereignty, the design of basic infrastructures, or personnel development. In addition to new opportunities, unexpected dependencies arise. Recommendations for the concrete use of cloud services in universities were published by ZKI e. V. in 2021 in a result report with specific recommendations. The HRK has taken up the topic with Circular No. 26/2021.

There are strategic questions that must be fundamentally answered at the level of university managements, CIOs, ministries, federal states HRK before cloud use. They concern organizational, legal, and financial framework conditions.

Digital sovereignty: Most German universities operate their own data center. There are many reasons for this. Cloud services have been added during the pandemic. With cloud services, there is perceived uncertainty about the long-term development of license fees, as well as a dependency due to the increasing integration of cloud services into everyday operations (vendor lock-in). In the future, universities will have to weigh up on a political level whether such uncertainties and dependencies should be accepted or whether providing services in their own data center is fundamentally a sovereign path.

Cooperation structures: Private clouds could represent a middle ground between a company's own data center and cloud services from commercial providers. These could be either inter-university offerings via state data centers or the direct provision of services between universities. The decision on cooperation will have to be made partly by the universities themselves and partly in dialog with the state ministries. This also raises the question of the institutional structure of the cooperation. The state of Bavaria is attempting to establish this cooperation as a statutory task by founding a digital alliance (cf. Art 6(5) of the Higher Education Innovation Act) and to address the issues jointly across all types of higher education institutions.

Fiscal aspects of cooperation: the purchase of IT services is subject to VAT unless it is scientific cooperation. This applies to commercial cloud offerings (Microsoft 365, Zoom), but also, depending on the design, to inter-university offerings via the above-mentioned cooperation structures. Unless there is a provision in tax law here, e.g. that cooperation between universities is a public task, an IT service via cooperation may be up to 19% more expensive than providing the same service via an own university computer center.

Procurement: the current ways of procuring IT services are geared toward operating their own university computer centers. In the nationwide DFG funding program "Grossgeräte der Länder", they are half-subsidized with federal funds. Therefore, state-funded universities have no incentive to consider cloud services as a substitute if they have to pay for them in full.

Support structures: academics are used to being able to request assistance from commercial data centers, networks, and cloud operators 24 hours a day, 7 days a week. Small to mid-sized universities cannot provide this support. What does this mean for future workforce planning?

Sustainability: Increasingly, the university's own IT provision needs to be climate-proofed. For the state of Bavaria, an initial study has revealed a need for construction measures in the double-digit millions to meet the climate targets set by the state and federal governments concerning existing university data centers. Should these investments still be made when "everything is going to the cloud"?

The search for legal frameworks regarding the necessary cloud use in a European, or better, the inner-German legal framework is obvious. The Zoom provision of the DFN via the Telekom cloud shows an inner-German way for personal data of students and researchers, the NFDI for research data. However, cloud-based delivery of online university elections is not yet possible in many countries and is the subject of ongoing legal discussions.

With these issues in mind, it is necessary to take a hybrid view of the reliable and sustainable provision of IT services and to create prerequisites in each direction. The goal must be to efficiently operate IT infrastructures for universities that have been built and maintained with tax funds.


Translated with DeepL, edited with Grammarly.

Mittwoch, 3. August 2022

Deutsche Unis in der Cloud - was muss noch getan werden?

Die beschleunigte Digitalisierung der deutschen Hochschulen und Universitäten in den Jahren 2020/2021, als Reaktion auf die COVID19-Pandemie, wäre ohne die massive Inanspruchnahme von Cloud-Angeboten nicht möglich gewesen. Lehre über Videokonferenzsysteme wie Zoom, digitale Fernprüfungen mit und ohne Proctoring, gemeinsames Arbeiten über Kollaborationssysteme wie Confluence oder Microsoft Teams fanden quasi über Nacht den Eingang in den normalen Arbeitsalltag. In wenigen Wochen passierte mehr Digitalisierung als in den Jahren davor. Cloud-Anbieter wie Zoom, Google, Microsoft eroberten sich Anteile am Digitalisierungsbudget in viel höherem Maße als jemals vorher geplant. Sehr deutlich wurde in dieser Zeit, dass die digitale Welt vor der Pandemie von einer Realität eingeholt wurde, auf welche die doch recht langsam agierenden Universitäten und deren Verwaltungen in ihren Grundstrukturen nicht vorbereitet waren.

Clouddienste erweitern die bisher in den Hochschulen genutzten und meist von den eigenen Rechenzentren angebotenen IT-Dienste. Sie können schnell und dezentral auf den PCs und Notebooks eingerichtet und von den Hochschulangehörigen genutzt werden. Sie führen nicht zur Anschaffung neuer Großgeräte in den Rechenzentren, wohl aber zur Nachfrage nach Unterstützung der Anwenderinnen und Anwender durch das bestehende IT-Personal. 

Eine Nutzung dieser zusätzlichen Optionen, mit denen die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit einer Hochschule verbessert werden soll, ist nur nach grundlegenden, internen Überlegungen möglich. Konnte früher ein Rechenzentrum oder eine IT-Abteilung selbst über die Einführung einer Software entscheiden, so entstehen bei der Nutzung von Cloud-Services strategische Fragen, die nur auf der Ebene einer Hochschulleitung zu klären sind. Die Verlagerung von Teilen der IT-Infrastruktur einschließlich der Datenspeicherung „off-campus“ hat Auswirkungen auf die digitale Souveränität, die Gestaltung von Basisinfrastrukturen oder die Personalentwicklung. Neben neuen Möglichkeiten entstehen unerwartete Abhängigkeiten. Empfehlungen zur konkreten Nutzung von Cloud-Diensten in Hochschulen hat der ZKI e. V. im Jahr 2021 in einem Ergebnisbericht mit konkreten Empfehlungen veröffentlicht. Mit dem Rundschreiben Nr. 26/2021 hat die HRK das Thema aufgegriffen.

Es gibt strategische Fragen, die vor einer Cloudnutzung auf der Ebene der Hochschulleitungen, der CIOs, der Ministerien, Bundesländer HRK grundlegend beantwortet werden müssen. Sie betreffen organisatorische, gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen.

  1. Digitale Souveränität: Die meisten deutschen Hochschulen betreiben ein eigenes Rechenzentrum. Die Gründe dafür sind vielfältig. Während der Pandemie sind Cloud-Dienste dazu gekommen. Bei Cloud-Diensten wird eine Unsicherheit bezüglich der langfristigen Entwicklung der Lizenzgebühren wahrgenommen, sowie eine Abhängigkeit durch eine zunehmende Integration der Cloud-Dienste in den Betriebsalltag (Vendor Lock-In). Die Hochschulen werden in Zukunft auf politischer Ebene abwägen müssen, ob solche Unsicherheiten und Abhängigkeiten in Kauf genommen werden sollen oder eine Bereitstellung von Diensten im eigenen Rechenzentrum grundsätzlich ein souveräner Weg ist.
  2. Kooperationsstrukturen: Einen Mittelweg zwischen eigenem Rechenzentrum und Cloud-Diensten kommerzieller Anbieter könnten Private Clouds darstellen. Bei diesen könnte es sich entweder um interuniversitäre Angebote über Landesrechenzentren oder um die direkte Erbringung von Diensten zwischen Hochschulen handeln. Die Entscheidung über eine Kooperation wird zum Teil von den Hochschulen selbst, zum Teil mit den Länderministerien im Dialog zu treffen sein. Damit stellt sich auch die Frage nach der institutionellen Gestaltung der Kooperation. Das Bundesland Bayern versucht, durch Gründung eines Digitalverbundes (vgl. Art 6(5) des Hochschulinnovationsgesetzes) diese Kooperation als gesetzliche Aufgabe zu etablieren und die Fragen gemeinschaftlich über alle Hochschultypen hinweg anzugehen.
  3. Steuerliche Aspekte der Kooperation: der Bezug von IT-Diensten unterliegt der Umsatzsteuer, sofern es sich nicht um Wissenschaft handelt. Dies betrifft kommerzielle Cloudangebote (Microsoft 365, Zoom), aber je nach Ausgestaltung auch interuniversitäre Angebote über die o.a. Kooperationsstrukturen. Sofern hier keine steuergesetzliche Vorkehrung getroffen wird, z.B. dass Kooperation zwischen Hochschulen eine öffentliche Aufgabe darstellt, wird ein IT-Dienst über eine Kooperation ggf. bis zu 19% teurer sein als die Erbringung des gleichen Dienstes über ein eigenes Hochschulrechenzentrum.
  4. Beschaffung: die bisherigen Wege der Beschaffung von IT-Diensten sind auf den Betrieb eigener Hochschulrechenzentren ausgerichtet. Im DFG-Programm „Großgeräte der Länder“ werden sie hälftig mit Bundesmitteln bezuschusst. Daher gibt es keine Anreize für die länderfinanzierten Hochschulen, Clouddienste als Ersatz zu betrachten, wenn sie diese voll bezahlen müssen.
  5. Unterstützungsstrukturen: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind daran gewöhnt, bei kommerziellen Rechenzentren, Netz- und Cloudbetreibern 24 Stunden am Tag und 7 Tage in der Woche Hilfe anfordern zu können. Diese Unterstützung können kleine bis mittlere Hochschulen nicht leisten. Was bedeutet dies für zukünftige Personalplanungen?
  6. Nachhaltigkeit: In zunehmendem Maße muss die eigene IT-Bereitstellung klimatechnisch verbessert werden. Für das Bundesland Bayern hat eine erste Untersuchung einen zweistelligen Millionenbedarf an notwendigen Baumaßnahmen ergeben, um den Klimazielen von Land und Bund bezüglich der bestehenden Hochschulrechenzentren gerecht werden zu können. Sollen diese Investitionen noch getätigt werden, wenn doch „alles in die Cloud geht“?
  7. Die Suche nach gesetzlichen Rahmenbedingungen bezüglich der notwendigen Cloud-Nutzung in einem europäischen, besser innerdeutschen Rechtsrahmen ist offensichtlich. Die Zoom-Bereitstellung des DFN über die Telekom-Cloud zeigt einen innerdeutschen Weg für personenbezogene Daten von Studierenden und Forschenden, die NFDI für Forschungsdaten. Die cloudbasierte Durchführung von Online-Hochschulwahlen ist in vielen Ländern aber noch nicht möglich und Gegenstand laufender rechtlicher Diskussionen.

Mit Blick auf diese Fragen ist es notwendig, die zuverlässige und nachhaltige Bereitstellung von IT-Diensten hybrid zu betrachten und in jede Richtung Voraussetzungen zu schaffen. Ziel muss es sein, aus Steuermitteln aufgebaute und unterhaltene IT-Infrastrukturen für Hochschulen effizient zu betreiben.


Donnerstag, 17. Februar 2022

Schatten-IT und die Universität

In diesem Post meiner Wirtschaftsinformatik-Kollegin Prof. Steffi Haag wird sehr schön dargelegt, welche Chancen der Einsatz von Schatten-IT auch in der Universität haben kann. 

Unter Schatten-IT verstehe ich häufig das Wiedererfinden des Rades: Lehrstühle, die eigene Exchange-Server betreiben, NAS-Boxen, die im Sekretariat unter dem Schreibtisch lagern, zu PC-Pools umfunktionierte Besprechungsräume. Zu hochgezogenen Augenbrauen führt bei mir nicht die Ausgabe von Sachmitteln, das möge bitte jede Professur selber wissen, wofür sie ihr Budget ausgibt. Das schwierige sind meistens die menschlichen Entscheidungen dahinter. Zur Schatten-IT gehört zuerst einmal eine Professor:in, die überzeugt davon ist, dass die zentralen IT-Dienste der Universität ihren Ansprüchen an IT-Dienstleistungen nicht genügt. Steffi Haag schreibt zu diesem Mindset:

Unsere Erforschung von mehr als 85 Schatten-IT-Fällen zeigt jedoch, dass die Nutzung von Schatten-IT oft in solchen restriktiven Unternehmenspraktiken selbst begründet ist. Insbesondere dann, wenn sich Mitarbeitende einer Sackgasse gegenübersehen, die sie vom Erreichen ihrer Ziele abhält. Sei es, weil sie in ihrem Unternehmen auf taube Ohren stoßen, was neue digitale Lösungen betrifft; sei es, weil der Einsatz neuer digitaler Technologien nur eingeschränkt möglich ist, wie etwa Tablets, deren Nutzung auf bestimmte Apps begrenzt ist; oder sei es, weil Unternehmen zum Beispiel aufgrund von rechtlichen Vorgaben, wie etwa der DSGVO, den Bedürfnissen ihrer Mitarbeitenden nicht vollends nachkommen können. Was immer das Empfinden einer Sackgasse hervorruft, Schatten-IT bietet Mitarbeitenden einen Ausweg.

Diese Art der Empfindsamkeit scheint in der Universität noch größer vertreten zu sein als woanders. Das liegt in der Natur der Sache: gerade die Tätigkeit in der Forschung hat ja qua definition mit dem Suchen nach dem Ausweg aus einer Sackgasse zu tun! Kein Wunder, das Professor:innen das auch auf ihre IT-Probleme anwenden. Viele interessante IT-Lösungen sind an mich durch das Ausprobieren einzelner Lehrstühle herangetragen worden -- seien es edTech-Tools oder elektronische Laborbücher. Gerne diskutiere ich dies mit Professorinnen und Professoren in der dafür vorgesehenen Präsidial- oder Senatskommission, lasse uns diese Tools vorführen und gebe so manches Mal auch Beschaffungsentscheidungen.

Die Empfindsamkeit schlägt allerdings nur zu oft in Unverständnis um, wenn die Kommission der Idee nicht folgen will und der Vorschlagende das nicht einsichtig findet. Die Aufzählung der obigen Gründe, warum ein Unternehmen (oder eine Universität) eine tolle neue Lösung nicht einsetzt, nennt nämlich einen zentralen Punkt nicht: das fehlende Budget und das fehlende Personal. Jeder Euro, den wir für IT einsetzen, geht weder direkt in die Forschung (Mitarbeiterstellen) noch in die Lehre. Jeder Euro für Schatten-IT nimmt einen Euro von Publikationsgebühren, Reisen, Hiwimitteln weg. Jede Personalstunde, die für Exchange-Serverwartung draufgeht, bringt eine Doktorandin weiter von ihrer Diss weg.

Bei allen Chancen, aus Effizienzgründen muss ich prinzipiell gegen Schatten-IT in der Universität sein.

Shadow-IT and the University: a mixed relationship

This post (in German language) by my colleague Prof. Steffi Haag beautifully illustrates the opportunities that the use of shadow IT can also have in the university.

I often think of shadow IT as reinventing the wheel: chairs running their own Exchange servers, NAS boxes stored under the desk in the secretary's office, meeting rooms converted into PC pools. I don't raise my eyebrows at the expenditure of material resources; each professorship should know for itself what it spends its budget on. The difficult part is usually the human decisions behind it. First of all, investing in shadow IT requires a professor who is convinced that the central IT services of the university do not meet her demands for IT services. Steffi Haag writes about this mindset:

However, our research of more than 85 shadow IT cases shows that the use of shadow IT is often rooted in such restrictive corporate practices themselves. Specifically, when employees face an impasse that prevents them from achieving their goals. Whether it's because they fall on deaf ears in their company when it comes to new digital solutions; whether it's because the use of new digital technologies is limited, such as tablets whose use is restricted to certain apps; or whether it's because companies cannot fully meet the needs of their employees, for example, due to legal requirements such as the GDPR. Whatever creates the sensation of an impasse, shadow IT offers employees a way out.

This kind of sensibility seems to be even more widely represented in the university than elsewhere. This is in the nature of things: precisely the activity in research has, by definition, to do with the search for a way out of a dead end! No wonder that professors also apply this to their IT problems. Many interesting IT solutions have been brought to my attention by individual chairs trying them out -- be it edTech tools or electronic lab books. I am happy to discuss this with professors in the designated presidential or senate committee, have these tools demonstrated to us, and many a time also make procurement decisions.

Sensitivity, however, all too often turns into incomprehension when the commission does not want to follow the idea and the proposer does not find this reasonable. The above list of reasons why a company (or a university) does not use a great new solution does not mention one central point: the lack of budget and personnel. Every Euro we spend on IT does not go directly into research (staff positions) or teaching. Every Euro spent on shadow IT takes away one Euro from publication fees, travel, and human resources. Every staff hour spent on Exchange server maintenance takes a PhD student further away from her dissertation.

Despite all the opportunities, for reasons of efficiency, principally I have to take a side against shadow IT in the university.

Translated with DeepL

Mittwoch, 12. Januar 2022

Youtube oder: wer hilft den Studierenden beim Lernen


Man könnte ja auf die Idee kommen, dass Studierende ihr gesamtes Wissen aus der Universität beziehen. Sie würden dann in der Vorlesung zu Hunderten an den Lippen der Dozent*in hängen, mit Büchern (jeder Studierende ein Lehrbuch) in der Unibibliothek lernen und später aus dem Kopf auswendig gelerntes Wissen in einer mehrstündigen Klausur niederschreiben.

Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Und sie entsprechend auch nicht mehr dem Bedarf eines späteren Arbeitslebens, vollkommen unabhängig ob als Wissenschaftler:in, Angestellte:r, Selbständige:r, Gründer:in. Niemand sitzt später am Arbeitsplatz vor seinem Bildschirm und holt aus der Tiefe seines Wissens auswendig Gelerntes hervor. Der Schritt zum schnellen Googeln liegt nur einen Tastendruck entfernt. 

Während der Pandemie haben wir in den Hochschulen unsere Leistungsabfragen ohnehin anpassen müssen. Die bekannten Präsenzklausuren, für die die Uni-Sporthalle mit Einzeltischen aufwändig umgebaut wurde, machen Platz für videoüberwachte Fernklausuren im Open-Book-Format oder Take-Home-Exams, bei denen man unter Zeitdruck Texte schreibt und hochlädt. Ob das in der Form nach der Pandemie noch Bestand hat, wird sich zeigen -- im Moment schwingt das Pendel eher wieder in Richtung der Suche nach der "guten alten Zeit" mit Pen-and-Paper-Klausuren.

Die Frage ist jetzt aber: wie bereiten die (Hoch)-Schüler sich auf diese Klausuren vor? Gerade bei Open-Book und Take-Home kommt es auf das Verständnis an, auf Transfer, auf die Fähigkeit, unter Zeitdruck nicht erst langwierig nachschlagen zu müssen.

Im Schulbereich ist das der typische Einsatzfall für Nachhilfe; im Hochschulbereich z.B. Repetitorien. Youtube-Kanäle wie Lehrer Schmidt bieten diese Lernmöglichkeiten an: kurze Verständnisvideos zwischen 5 und 10 Minuten. Ein Vorbildformat für Universitäten? Dafür machen es leider noch viel zu wenige. 6 Minuten Jura ist so ein Kanal meiner eigenen Universität, eine private Initiative eines einzelnen Professors. Er erreicht damit mehr Studierende als mit seinen Vorlesungen. Aber machen wir Universitäten etwas damit -- strategisch? Wo sind die Hochschulen, die Youtube nicht nur als Abspielstation für ihre Promovideos, sondern als wirkliche Lernplattform einsetzen?