Das kollektive Aufatmen zu Beginn des Sommersemester 2022 war an meiner Universität deutlich hörbar. Endlich konnte wieder normale Präsenzlehre durchgeführt werden. Normale Klausuren, ohne Hilfsmittel und in großen Hörsälen wurden geschrieben. Die Lehrenden bauten die Influencerlampen auf ihren Schreibtischen ab, die sie zum Ausleuchten ihrer Vorlesungsaufzeichnungen verwendet hatten. Sitzungen von Fakultätsräten konnten auf mobile Videokonferenzkameras verzichten, deren Freisprecheinrichtungen die remote zugeschalteten Teilnehmer wegen des Halls sowieso nicht verstanden.
Alles wieder auf Anfang?
Nachdem die Corona Epidemie vorbei ist, könnte man auf die Idee gekommen, dass man auch der Digitalisierung der Universitäten Einhalt gebieten könnte. War es nicht mühsam und teuer mit der digitalen und hybriden Lehre? Könnte man nicht viel Geld sparen, indem die Zoom-Campuslizenz für alle aufgegeben, die Office365-Lizenz ohnehin wegen Bedenken der Datenschützer verboten und die Durchführung von Fernklausuren inkl. der Plagiatsüberprüfungen eingestellt wird?
Es geht aber nicht nur um die Lehre. Auch in der Forschung möchten viele zurück in das Jahr 2019 und davor. Wissenschaftliche Konferenzen sollten wieder mit Flugzeugen angeflogen werden, oder? War es nicht schön, sich 24 Stunden in einen Flieger zu setzen um irgendwo in der Welt eine halbe Stunde zu 10 Zuhörern zu sprechen, die man vorher noch nie gesehen hatte und die keine Frage stellten?
Diese kleine Überspitzung zeigt, dass es kein zurück gibt und auch nicht geben kann. Fast alle Konferenzen, die ich kenne, werden mittlerweile hybrid durchgeführt. Das ist für eine globale Verbreitung des Wissens absolut sinnvoll und erlaubt es dennoch denjenigen, die vor Ort teilnehmen, die so wichtige zwischenmenschliche Beziehung aufzubauen. Den richtigen Weg zur hybriden Lehre müssen wir aber noch finden. Das Pendel schwingt zurück in die andere Richtung, in eine vermeintlich bessere Vergangenheit. Eine Welt in der alle Studierenden brav aufgereiht vor dem Dozenten im Hörsaal sitzen, wird als erstrebenswert angesehen. Es entspricht dem häufigen Normalfall vor der Corona-Pandemie und nährt so die Illusion von der guten alten Hochschulzeit. Vor dieser Art von Hörsaalromantik sollten wir uns hüten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen