Donnerstag, 17. Februar 2022

Schatten-IT und die Universität

In diesem Post meiner Wirtschaftsinformatik-Kollegin Prof. Steffi Haag wird sehr schön dargelegt, welche Chancen der Einsatz von Schatten-IT auch in der Universität haben kann. 

Unter Schatten-IT verstehe ich häufig das Wiedererfinden des Rades: Lehrstühle, die eigene Exchange-Server betreiben, NAS-Boxen, die im Sekretariat unter dem Schreibtisch lagern, zu PC-Pools umfunktionierte Besprechungsräume. Zu hochgezogenen Augenbrauen führt bei mir nicht die Ausgabe von Sachmitteln, das möge bitte jede Professur selber wissen, wofür sie ihr Budget ausgibt. Das schwierige sind meistens die menschlichen Entscheidungen dahinter. Zur Schatten-IT gehört zuerst einmal eine Professor:in, die überzeugt davon ist, dass die zentralen IT-Dienste der Universität ihren Ansprüchen an IT-Dienstleistungen nicht genügt. Steffi Haag schreibt zu diesem Mindset:

Unsere Erforschung von mehr als 85 Schatten-IT-Fällen zeigt jedoch, dass die Nutzung von Schatten-IT oft in solchen restriktiven Unternehmenspraktiken selbst begründet ist. Insbesondere dann, wenn sich Mitarbeitende einer Sackgasse gegenübersehen, die sie vom Erreichen ihrer Ziele abhält. Sei es, weil sie in ihrem Unternehmen auf taube Ohren stoßen, was neue digitale Lösungen betrifft; sei es, weil der Einsatz neuer digitaler Technologien nur eingeschränkt möglich ist, wie etwa Tablets, deren Nutzung auf bestimmte Apps begrenzt ist; oder sei es, weil Unternehmen zum Beispiel aufgrund von rechtlichen Vorgaben, wie etwa der DSGVO, den Bedürfnissen ihrer Mitarbeitenden nicht vollends nachkommen können. Was immer das Empfinden einer Sackgasse hervorruft, Schatten-IT bietet Mitarbeitenden einen Ausweg.

Diese Art der Empfindsamkeit scheint in der Universität noch größer vertreten zu sein als woanders. Das liegt in der Natur der Sache: gerade die Tätigkeit in der Forschung hat ja qua definition mit dem Suchen nach dem Ausweg aus einer Sackgasse zu tun! Kein Wunder, das Professor:innen das auch auf ihre IT-Probleme anwenden. Viele interessante IT-Lösungen sind an mich durch das Ausprobieren einzelner Lehrstühle herangetragen worden -- seien es edTech-Tools oder elektronische Laborbücher. Gerne diskutiere ich dies mit Professorinnen und Professoren in der dafür vorgesehenen Präsidial- oder Senatskommission, lasse uns diese Tools vorführen und gebe so manches Mal auch Beschaffungsentscheidungen.

Die Empfindsamkeit schlägt allerdings nur zu oft in Unverständnis um, wenn die Kommission der Idee nicht folgen will und der Vorschlagende das nicht einsichtig findet. Die Aufzählung der obigen Gründe, warum ein Unternehmen (oder eine Universität) eine tolle neue Lösung nicht einsetzt, nennt nämlich einen zentralen Punkt nicht: das fehlende Budget und das fehlende Personal. Jeder Euro, den wir für IT einsetzen, geht weder direkt in die Forschung (Mitarbeiterstellen) noch in die Lehre. Jeder Euro für Schatten-IT nimmt einen Euro von Publikationsgebühren, Reisen, Hiwimitteln weg. Jede Personalstunde, die für Exchange-Serverwartung draufgeht, bringt eine Doktorandin weiter von ihrer Diss weg.

Bei allen Chancen, aus Effizienzgründen muss ich prinzipiell gegen Schatten-IT in der Universität sein.

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