Man könnte ja auf die Idee kommen, dass Studierende ihr gesamtes Wissen aus der Universität beziehen. Sie würden dann in der Vorlesung zu Hunderten an den Lippen der Dozent*in hängen, mit Büchern (jeder Studierende ein Lehrbuch) in der Unibibliothek lernen und später aus dem Kopf auswendig gelerntes Wissen in einer mehrstündigen Klausur niederschreiben.
Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Und sie entsprechend auch nicht mehr dem Bedarf eines späteren Arbeitslebens, vollkommen unabhängig ob als Wissenschaftler:in, Angestellte:r, Selbständige:r, Gründer:in. Niemand sitzt später am Arbeitsplatz vor seinem Bildschirm und holt aus der Tiefe seines Wissens auswendig Gelerntes hervor. Der Schritt zum schnellen Googeln liegt nur einen Tastendruck entfernt.
Während der Pandemie haben wir in den Hochschulen unsere Leistungsabfragen ohnehin anpassen müssen. Die bekannten Präsenzklausuren, für die die Uni-Sporthalle mit Einzeltischen aufwändig umgebaut wurde, machen Platz für videoüberwachte Fernklausuren im Open-Book-Format oder Take-Home-Exams, bei denen man unter Zeitdruck Texte schreibt und hochlädt. Ob das in der Form nach der Pandemie noch Bestand hat, wird sich zeigen -- im Moment schwingt das Pendel eher wieder in Richtung der Suche nach der "guten alten Zeit" mit Pen-and-Paper-Klausuren.
Die Frage ist jetzt aber: wie bereiten die (Hoch)-Schüler sich auf diese Klausuren vor? Gerade bei Open-Book und Take-Home kommt es auf das Verständnis an, auf Transfer, auf die Fähigkeit, unter Zeitdruck nicht erst langwierig nachschlagen zu müssen.
Im Schulbereich ist das der typische Einsatzfall für Nachhilfe; im Hochschulbereich z.B. Repetitorien. Youtube-Kanäle wie Lehrer Schmidt bieten diese Lernmöglichkeiten an: kurze Verständnisvideos zwischen 5 und 10 Minuten. Ein Vorbildformat für Universitäten? Dafür machen es leider noch viel zu wenige. 6 Minuten Jura ist so ein Kanal meiner eigenen Universität, eine private Initiative eines einzelnen Professors. Er erreicht damit mehr Studierende als mit seinen Vorlesungen. Aber machen wir Universitäten etwas damit -- strategisch? Wo sind die Hochschulen, die Youtube nicht nur als Abspielstation für ihre Promovideos, sondern als wirkliche Lernplattform einsetzen?
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