Wie ich in einem früheren Post schon geschrieben habe, scheint mir die Verkürzung von "Digitalisierung der Universität" auf "Digitalisierung der Lehre" zu kurz gesprungen. Und dazu muss man nicht auf das Humboldtsche Ideal zurückgreifen, sondern sich schlicht und einfach anschauen, womit sich die Mitglieder einer Universität die meiste Zeit beschäftigen -- an vielen Universitäten ist es die Forschung.
Sicher, die Professorinnen gehen (in Vor-Corona-Zeiten) mindestens einmal am Tag in den Hörsaal, die Mitarbeiterinnen bereiten Folien vor und betreuen Seminararbeiten, und das Sekretariat verkauft Skripten und nimmt Anträge auf Auslandsanerkennungen entgegen. Diese Tätigkeiten ändern sich nicht, von Semester zu Semester, von Tag zu Tag ein ähnlicher Ablauf. Hunderte solcher Vorgänge in einem Monat in einem Lehrstuhl, Tausende in einer Fakultät, Hunderttausende in einer Universität. Man könnte also auf die Idee kommen, dass diese (repetitiven) Tätigkeiten der Grund für die Existenz der Universität sind -- und könnte nicht falscher liegen.
Denn eigentlich treibt die Forscherinnen und Forscher die Suche nach dem Kreativen, dem Innovativen, der Erkenntnis. Die nächste Entdeckung, das Laborergebnis, die wissenschaftliche Diskussion, die Publikation ist das Mittel, mit dem man weiterkommt.
Wenn wir Digitalisierung nur als Mittel der effizienteren Durchführung des Bestehenden verstehen: wenn wir eigene Präsenzvorlesungen mit digitalen Videos ergänzen, Forschungsdaten statt auf eigenen Servern in einer nationalen Cloud speichern, MBA-Kurse global in englischer Sprache anbieten -- wo ist da die Strategie? Es ist eine digitale Erweiterung des Gleichen, ein Schritt in eine internationale Arena, deren Spielregeln wir verstehen müssen, bevor wir es sinnvoll nutzen können.
Durch die Digitalisierung ändert sich vieles -- auch für die Hochschulstrategie. Universitäten mit exzellenter, öffentlichkeitswirksamer Grundlagenforschung können Aus- und Weiterbildung in diesen Bereichen monetarisieren. Universitäten mit einem beeindruckenden Campus schaffen ein Zusammengehörigkeitsgefühl, welches Alumni noch nach Jahrzehnten inspiriert. Viele Forschungsergebnisse und Lehrinhalte transportieren sich über das Internet -- je nachdem, ob sich eine Hochschule als Sender oder Empfänger dieser Inhalte transportiert, muss sich die eigene Strategie anpassen.
Man kann viel Geld für die Digitalisierung der Universitäten ausgeben; aber es sollte strategisch an der richtigen Stelle ausgegeben werden. Ich bezweifle, dass dieses Geld in der digitalen Lehre gut aufgehoben ist.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen