Die Verfügbarkeit aller Arten von Informationen auf dem Internet bringt uns zu einer neuen Rolle der Professorinnen und Professoren in der Hochschullehre. Sie werden zu vertrauenswürdigen Vermittlern für den Wissenserwerb.
Wenn ich als Professor für Vorlesungen neue Lehrmaterialien vorbereite, suche ich selbstverständlich auch auf dem Internet nach passenden Grafiken, Fallstudien, Videos und anderen Informationen. Es ist immer wieder erstaunlich, welches Material sich dort findet -- es geht von unglaublich gut aufbereiteten Materialien (z.B. den TED-Talks von Hans Rosling, die man nahezu uneditiert und in voller Schönheit übernehmen kann) bis hin zu politisch einseitigen, eingefärbten oder schlicht falschen Informationen. Mit meinem Wissen und meiner Erfahrung nehme ich aus diesem Heuhaufen die fundierten und glaubhaften Medien heraus und präsentiere sie meinen Studierenden in der Vorlesung.
Je mehr externes Material ich in dieser Art einbinde, desto mehr erzeuge ich eine Playlist. In einem früheren Post hatte ich ja schon einmal die Musikanalogie bemüht, hier ist es ähnlich. Meine Studierenden bringen mir als Dozenten eine Art Grundvertrauen entgegen, dass die "Musik", die ich spiele, sie in ihrem Wissenserwerb weiterbringt.
*Früher* war die Dozent*in eine "single source of truth", ein "gatekeeper", der/die exklusive Informationen aus der Welt der Wissenschaft in die Lehrewelt übertrug. Früher war nur meine Musik zu hören, die ich selber gespielt habe. Neben dieser Quelle gab es die Bibliothek, ebenfalls durch eine Gatekeeper*in kuratiert, mit weiterführender Literatur.
Diese Welt hat sich verändert. Ähnlich wie beim Übergang von redigierten Enzyklopädien zur unredigierten Wikipedia muss sich damit auch die Rolle der früheren Gatekeeper verändern. Wir Professor*Innen müssen beim Versuch, unser Wissen zu teilen, ein anwachsendes Grundrauschen gefährlichen Halbwissens übertönen. Von allen Seiten und sogar während der Vorlesung strömen auf unsere Studierenden ungefilterte Musik, Texte und Bilder zu genau den Themen ein, die wir akribisch vorbereitet und sauber mit Zitaten unterlegt lehren wollen.
Was muss ich tun? Meine schöne Musik gegen das immer lautere Rauschen stellen und selber lauter werden, pointierter, meinungsstärker, zugespitzter, damit ich gehört werden? Damit vielleicht weniger ausgewogen und weniger wissenschaftlich? Das kann es nicht sein.
Als meine Aufgabe sehe ich jetzt vielmehr, aus den verfügbaren Musikstücken (= Informationen aus aller Welt) eine Playlist für die Studierenden zusammenzustellen. Diese Playlist ist kuratiert, ihr kann gefolgt werden, sie kann gelikt werden, sie bringt meine Studierenden einem Thema näher -- in einem für sie begreifbaren, natürlichen Prozess, der offensichtlich auch in anderen Bereichen Fuß fasst.
Wir müssen nur das not invented here-Syndrom bewältigen. Das gibt es auch bei Professoren, aber das wird ein anderer Post.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen