Dienstag, 10. Dezember 2024

Indiana Jones und die vergangene Zukunft

Auf einem längeren Flug hatte ich neulich die Gelegenheit, Harrison Ford in Indiana Jones und das Rad des Schicksals anzusehen. Alle Elemente, welche die Indiana Jones-Filme ausmachen, waren mit dabei: die Action, die Musik, der Humor. Es war vieles so, wie ich es aus den 1980ern kannte und liebte. Man fühlte sich als Zuschauer in diese Zeit zurückversetzt und fühlte sich wohl. Und genau das ist das Problem. 

Indiana Jones ist ein Rollenmodell für alle (männlichen) Wissenschaftler. Wer würde nicht gerne, statt im Labor zu stehen oder mit SPSS die Umfrage auszuwerten, mit Hut und Peitsche nach alten Artefakten jagen? Wir können es so gut nachfühlen, wenn Indy vom Dekan seines College auf hohe Reisekosten oder zu geringe Erfüllung seiner Lehrverpflichtung hingewiesen wird. Indy ist ein Teil der heroischen Vergangenheit, des was-wäre-wenn unseres eigenen wissenschaftlichen Heldentums. Aber Heldentum ist vergänglich, und die Helden werden älter. Im Film wird Harrison Ford durch KI-basierte Nachbearbeitung optisch verjüngt -- in der realen Welt funktioniert das leider nicht. 

Womit wir bei der Problematik wären, dass wir CIOs gerne aus unserem Erfahrungsreichtum bei der Bewältigung des Jahr 2000-Problems oder sogar dem Übergang von CICS auf PC-Netzwerke schöpfen. Das waren noch Zeiten, als wir die Schlangen des Fortran-Codes mit der Peitsche bekämpften! Aber diese Lösungsansätze helfen uns nicht mehr für die heutige Hochschul-IT. Am Wissen und den vermeintlichen Fähigkeiten von früher festzuhalten, wird uns nicht helfen. Die Gefahr besteht aber, dass wir alten CIOs das trotzdem glauben und unsere  Denkweise und Entscheidungen in dieser Zeit festsitzen. Und es wäre auch falsch, auf die alten Professorinnen und Professoren (in den Senaten und Hochschulräten) zu hören, die heute noch den gleichen Service aus Indy's Zeiten erwarten, den sie seit 20 Jahren gewohnt sind.

Der heutige CIO muss mit komplexen Abhängigkeiten zwischen On-premise und Cloud-Diensten jonglieren. Viele Probleme lassen sich nicht durch Neustart des Servers beheben, sondern benötigen Projektmanagement, Wissen über Enterprise-Architekturen, Abstimmung in den Gremien der IT-Governance. Wenn wir diese Notwendigkeiten ignorieren, kommen wir nicht weiter. Unsere Rechenzentren müssen dieses Wissen entwickeln. Technologien, die unsere Hochschule nicht von anderen differenzieren, müssen wir outsourcen. Nur so kommen wir in die Zukunft.

Wir beenden diesen Post heute einmal mit einem Tucholsky-Zitat: "Lass dir von keinem Fachmann imponieren, der dir erzählt: Lieber Freund, das mache ich schon 20 Jahre so! Man kann eine Sache auch 20 Jahre lang falsch machen" (Kurt Tucholsky, 1890 - 1935).



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