Die Bedeutung der letzten fünf Jahre für die Digitalisierung der deutschen Universitäten kann nicht überschätzt werden. In diesen fünf Jahren ist fundamental mehr passiert als in den 30 Jahren vorher, und der Grund dafür liegt in den drei "C": Cloud, Covid und ChatGPT. Zusammen stellen diese Worte 3 Vitaminschocks dar und werden die Art, wie Universitäten ihre Digitalisierung angehen, massiv verändern.
Das erste "C" ist die Cloud. Wie ich an anderer Stelle schon geschrieben habe, ist die Verfügbarkeit von Amazon Web Services, Microsoft 365 oder Google for Education eine grundsätzliche Möglichkeit, das eigene Rechenzentrum loszuwerden. Dies allerdings unter Inkaufnahme einer babylonischen Gefangenschaft zum Cloud-Anbieter, der unter Ausnutzung des Lock-In-Effektes eine Preispolitik fahren kann, welche Universitäten bei steigendem Digitalisierungsgrad an den Rand der eigenen Finanzierungsmöglichkeiten bringt. Dafür gibt es in der besten aller Welten immer die neueste Software, weltweite Erreichbarkeit der Plattform und ein 24/7-besetztes Helpdesk.
Das zweite "C" war 2020 der Schock durch die Covid19-Epidemie. In rasender Geschwindigkeit flexibilisierten die Universitäten die Präsenzlehre, führten Flipped-Classroom-Konzepte ein und ermöglichten Fernklausuren. Die Lehrenden nahmen tausende von Lehrvideos auf, welche so gut angenommen wurden, dass die Studierenden auch nach Ende der Pandemie auf hybride Lehre und die einmal kennengelernten Möglichkeiten nicht verzichten wollen. Zurück zu großen und vollen Hörsälen mit Alleinunterhalter:innen an der Kreidetafel? Nicht mit unseren Studierenden! Ähnlich auch der Einfluss auf die Arbeitsmodi von Verwaltung und Wissenschaftler:innen. Home Office für das Verwaltungspersonal: 2019 eine absolute Seltenheit, seit 2021 durchaus üblich. Arbeitsbesprechungen, sogar wissenschaftliche Konferenzen finden über Zoom statt, man trifft sich vor der Kamera.
Das dritte "C" ist 2023 die weltweite Verfügbarkeit von generativer Künstlicher Intelligenz (Beispiel ChatGPT), sei es für die Erstellung von Texten, Bildern, oder Software. Neben dem faktischen Todesstoß für die Prüfungsform Hausarbeit ermöglicht Generative KI aber auch einen Produktivitätssprung, sei es durch erleichtertes Verfassen wissenschaftlicher Texte, vereinfachtes Zusammenfassen von Quellen, bessere Übersetzungen oder bessere Grafiken. Als Richard Socher beim DLD23 auf die derzeitigen Fehler von GAI (Halluzinationen) bei der korrekten Verlinkung von Quellen angesprochen wurde, meinte er lapidar: "Geben Sie uns noch ein paar Wochen" (Nachtrag: LLaMa, GPT4).
Die wesentliche Gemeinsamkeit aller drei Vitamin-C-Schocks ist für mich, dass diese am klassischen Universitäts-Rechenzentrum vorbei passiert sind. Die alten Server werden nicht mehr gebraucht. Was wir aber sehr wohl brauchen, sind eine universitätsweite Digitalisierungsstrategie, kundiges Personal für den lokalen Support und eine Schulungskampagne für die Nutzung der neuen Dienste. Ob die deutschen Universitäten dafür personell und finanziell richtig aufgestellt sind?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen