In 2007 veröffentlichte Neil Walters den Text "why you can't cite Wikipedia in my class". Er bemerkte, dass in vielen Seminararbeiten, die bei ihm abgegeben wurden, keine wissenschaftlichen Quellen mehr angegeben wurden. Stattdessen verwendeten die Studierenden Verweise auf Wikipedia Artikel. Diese Praxis ärgert natürlich die normalen Wissenschaftler, denn die eigenen wissenschaftlichen Artikel , die ja häufig die Basis für die Lehrveranstaltung sind, werden dadurch ignoriert.
Das Problem ist jedoch nicht die verletzte Eitelkeit der Dozenten, es ist die wechselnde Qualität der Wikipedia Artikel. Einige Wikipedia Artikel haben eine unglaubliche Qualität -- sie lassen keine Frage offen, sind didaktisch gut strukturiert und machen Lust, über den Betrachtungsgegenstand noch mehr zu erfahren und dafür den Links zu folgen. Bei vielen Artikeln ist das nicht der Fall -- wer mehr wissen will, wechselt besser auf die englische Version. Manche Artikel sind gut recherchiert und belegt, manche nicht. Die Wikipedia Community sorgt dann dafür, dass der Mangel mit einem Hinweis angezeigt wird. Irgendwann wird sich jemand (ein Editor) des Artikels annehmen und ihn verändern: Belege anführen, Links einfügen, Fakten checken. Der Artikel wird damit dynamisch verbessert.
Dieses dynamische ist aber das zweite Problem. Wenn ich die Seminararbeit benoten will, gehe ich davon aus, dass der Studierende die gleiche Quelle gelesen hat wie ich jetzt. Diese Fakten standen ihr doch zur Verfügung? Woher kommen diese Zahlen? Es kann sein, dass die Quelle zum Zeitpunkt des Verfassens anders aussah las beim nochmaligen Lesen. Worauf kann ich mich verlassen?
Das Problem ist: es gibt viel zu wenige Wissenschaftler, die Wikipedia-Artikel schreiben. Niemand bekommt eine Professur, weil er oder sie die Qualität von Texten überprüft und verbessert. Nirgends wird ausgewiesen, wie viel Anteil der Reviewer an der Lesbarkeit und Verständlichkeit eines wissenschaftlichen Artikels hat (manchmal: sehr viel!). Und niemals habe ich in Bewerbungen für Professuren gesehen, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler angeben, wie viele und welche Wikipedia-Artikel aus ihrer Feder stammen.
Dabei wäre es dort doch so einfach. Nachgewiesenes und geprüftes Wissen weiterzugeben, ist nirgendwo so einfach und erreicht so viele Menschen wie in einer Online-Enzyklopädie. Wollen wir diesen Textraum den Trollen und Meinungsmachern überlassen? Wir Hochschulen ziehen eigentlich mit Wikipedia an einem Strang -- wir müssten es nur umsetzen. Mehr Open Access geht nicht. Dann könnten wir auch zertifizierte Artikel in unseren Vorlesungen und Seminararbeiten zitieren.
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