Freitag, 26. Mai 2017

"Alternative Fakten" in der Digitalen Universität

Es geht ein Gespenst um im Umgang von Meinungsbildnern mit der Lebenswirklichkeit, und dieser wird befeuert durch die Digitalisierung. "Alternative Fakten" müssen als Konzept verstanden und transportiert werden. Ihre Quelle haben alternative Fakten in der ungeregelten Meinungsmaschine Internet. Im digitalen Zeitalter müssen die Universitäten in ihrer Lehre darauf reagieren, indem sie ihren Studierenden Bewertungsmöglichkeiten an die Hand geben und sie im Umgang damit schulen. Universitäten sind nicht mehr die "einzige Quelle der Wahrheit", sondern vermitteln den Umgang mit "vielen Quellen, die Wahrheit beanspruchen".

Der Begriff der "Alternativen Fakten" behauptet im Grunde, dass man, um eine Meinung fundiert äußern zu können, diese Meinung auf Fakten abstützen zu können. Das ist schon einmal positiv und mehr, als faktenfrei zu diskutieren. Aber: so wie es alternative Meinungen zu einer Sache gibt, z.B. im politischen Raum, so ist die Behauptung hier, dass der Faktenraum zur gleichen Sache groß genug wäre, um zwei oder mehr gegensätzliche Meinungen stützen zu können.

Kleiner Ausflug in die Wissensschaftstheorie: das ist, überspitzt gesagt, eine seit langem laufende Diskussion über Positivismus vs. Interpretivismus. Der Positivist geht davon aus, dass man nach langer Forschung bei einer (1) eindeutigen Faktenlage ankommen kann (Erde dreht sich um die Sonne). Eine erdachte Theorie kann man also gegen diese Faktenlage testen, und sie danach als wahr oder falsch bewerten. Der Interpretivist hat einen anderen Zugang: bereits die Ermittlung der Faktenlage ist soweit durch das subjektive Handeln des Wissenschaftlers verzerrt, dass es viele, auch gegensätzliche Fakten geben wird, und man diese komplexe Situation durch Interpretieren beleuchten und darstellen muss.

Im nichtwissenschaftlichen Raum ist der Positivismus eindeutig die vorherrschende Gemütslage. Der normale Mensch wüsste gerne, wo es lang geht, und möchte sich lieber auf Basis eindeutiger Fakten eine Meinung bilden. Interpretivismus ist dagegen anstrengend -- er führt zur Evolutionstheorie, zur Theorie des Klimawandels, zu einer ständigen Diskussion. Schlichte Gemüter scheuen diese Diskussion, weil sie sie nicht verstehen. Sie nehmen die Fakten, die in ihrer eigenen Filterblase angeboten werden, und kommen damit zu einer unumstößlichen Meinung. Die Universität sollte keine Filterblase sein.

Es wäre unsere Aufgabe, ab dem 1. Hochschulsemester diese Unterscheidung klar zu machen und unseren Studierenden einen Kompass zur Bewertung der im Internet angebotenenen "Fakten" mitzugeben. Vielleicht wäre es nicht verkehrt, uns dabei bei der Ausbildung wirklicher Qualitätsjournalisten etwas abzuschauen.

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