In diesem Post möchte ich mich den Capacities aus dem Buch "Robot-Proof" von Aoun widmen. Im ersten Post zu diesem Thema habe ich das Buch vorgestellt und versucht, die Literacies auf die deutsche Universitätsrealität anzupassen. Die Literacies sind für mich im Bachelorstudium zu verorten, am besten in Form eines Studium Generale.
Die Capacities hingegen sind spezieller: Critical Thinking, Systems Thinking,
Entrepreneurship und Cultural Agility. Jedes Thema für sich könnte schon
das Fundament für einen eigenen Masterstudiengang sein, aber Aoun
plädiert für das Einbauen in bestehende Studienprogramme (Für
Deutschland übersetzt wahrscheinlich ein Teil eines Masterstudiums, in
den USA in den letzten beiden Jahren eines vierjährigen
Bachelorprogramms).
Kritisches Denken ist sicherlich ein Denken "out of the box", wozu kritisches Hinterfragen von Ideen gehört und die Fähigkeit, Fakten und Behauptungen voneinander zu unterscheiden. Schlußfolgerungen "in the box" zu ziehen, könnte tatsächlich von Künstlicher Intelligenz bewerkstelligt werden und wäre damit nicht Robot-Proof. Dass "Kritisches Denken" derzeit kein Kernelement von Bildung ist, nutzen viele Populisten in selbstdarstellender Weise für sich aus, wenn sie ihr Stimmvieh bedienen. Wie umsetzen: in universitärer Ausbildung sicherlich durch Kurse in Wissenschaftstheorie und Ethik als verpflichtender Teil eines Masterprogramms.
Systemisches Denken schaut über den Tellerrand hinaus und würden wir meist als Interdisziplinarität oder Transdisziplinarität übersetzen wollen. Der Begriff selber ist aber etwas in die Jahre gekommen und mir fällt es schwer, konkrete Lehrveranstaltungen damit zu verbinden; Fallstudien mit gemischten Studierenden wäre ein Ansatz innerhalb von Curricula. Interdisziplinäre Masterstudiengänge wie Wirtschaftsingenieurwesen, Philosophy & Economics, Sporttechnologie usw. sind in deutschen Universitäten mittlerweile weit verbreitet. Da ist in den USA vermutlich mehr zu machen als bei uns.
Entrepreneurship ist für mich ein Kernelement eines Masterstudiums, unabhängig von der Wissenschaftsdisziplin. Wir haben daher selber in Bayreuth ein Projekt namens "Entrepreneurship4All" aufgesetzt, in dem unternehmerisches Handeln für viele Wissenschaftsbereiche angepasst und umgesetzt wird. Auch die Unternehmenspraktika, die viele Studierende sogar freiwillig machen, verbessern und vertiefen diese Fähigkeiten.
Kulturelle Agilität wird viel gefordert, praktisch umgesetzt wird es bei uns neben Kursen auf dem Campus sehr häufig in Auslandssemestern. Bei meinen BWL-Absolventen sehe ich meist 2 Auslandsaufenthalte auf dem Zettel, fast immer in unterschiedlichen Ländern. Dafür muss es im Studienverlauf Mobilitätsfenster geben, die schlauen Unis haben das aber fast alle.
Fazit: Aoun hat ein wichtiges Thema aufgesetzt: die Umsetzung ist in den USA noch dringender als bei uns. Auch für deutsche Unis ist das Buch aber ein sehr guter Motivationsverstärker, auf dem eingeschlagenen Weg nicht lockerzulassen.
What will remain of the campus university when teaching, research and administration are finally fully digitized?
Montag, 20. August 2018
Ist deutsche Universitätslehre Robot-Proof? (Teil 1)
Ich habe im Urlaub gerade ein Buch eines amerikanischen Universitätspräsidenten über die Zukunft der Hochschulbildung gelesen (danke an Christian Germelmann für den Link!). Joseph E. Aoun ist Präsident der Northeastern University in Boston, das Buch heisst "Robot-Proof" (daher auch der Titel dieses Posts) und ist bei MIT Press erschienen. Das Buch ist quasi die Langversion mehrerer Artikel, z.B. in der Washington Post vom Oktober 2016 und im Chronicle of Higher Education vom Januar 2016.
Aoun schreibt über die Notwendigkeit, Studierende so auszubilden, dass ihre Berufsprofile möglichst nicht von einer Künstlichen Intelligenz übernommen werden können. In dem Buch stellt er einige Beispiele für Aktivitäten seiner eigenen Universität vor. Er strukturiert in Literacies (im Bologna-Sprech für uns vielleicht: Kenntnisse) und Cognitive Capacities (Fähigkeiten).
Literacies sind Technological Literacy, Data Literacy und Human Literacy. Diese sind in jedem Studiengang zu verorten und stellen fundamentales Wissen dar, ohne welches man im zukünftigen Berufsleben nicht mehr weiterkommt. Technological und Data Literacy sind für ihn zwei verschiedene Dinge, Technological ist eher Programmierung und Data ist der Umgang mit Datenmengen aus einer Anwenderperspektive. Human Literacy beschäftigt sich mit Interkulturalität und Diversität, was wohl in den USA noch mehr zu kurz kommt als bei uns. Für mich sind Literacies damit gedanklicher Teil einer Studium Generale-artigen Struktur im Bachelorstudium. In Deutschland am Weitesten ist hier wohl die Lehrstruktur des Komplementärstudiums am College der Universität Lüneburg.
Konkret müssten (1) Programmier- und Software Engineering-Kenntnisse übergreifend durch spezielles Lehrpersonal des Mittelbaues angeboten werden, vielleicht in Erweiterung bestehender Angebote aus einer Informatik heraus. Das kann relativ allgemein geschehen. Bei (2) Data Literacy müssten je nach Wissenschaftsdisziplin spezifischere Angebote gemacht werden, Labordaten der Naturwissenschaften, Simulationen in den Ingenieurwissenschaften, Umfragen in den Wirtschaftswissenschaften und Interviews in den Sozialwissenschaften etc. sind doch spezifisch. Für (3) Human Literacy könnten all jene Kurse zusammengefaßt werden, die an Universitäten im Bereich Gender, Diversität, Interkulturalität meist ohnehin schon existieren.
Die Capacities sind Critical Thinking, Systems Thinking, Entrepreneurship und Cultural Agility. Jedes Thema für sich könnte schon das Fundament für einen eigenen Masterstudiengang sein, aber Aoun plädiert für das Einbauen in bestehende Studienprogramme (Für Deutschland übersetzt wahrscheinlich ein Teil eines Masterstudiums, in den USA in den letzten beiden Jahren eines vierjährigen Bachelorprogramms). Mehr dazu im zweiten Teil.
Aoun schreibt über die Notwendigkeit, Studierende so auszubilden, dass ihre Berufsprofile möglichst nicht von einer Künstlichen Intelligenz übernommen werden können. In dem Buch stellt er einige Beispiele für Aktivitäten seiner eigenen Universität vor. Er strukturiert in Literacies (im Bologna-Sprech für uns vielleicht: Kenntnisse) und Cognitive Capacities (Fähigkeiten).
Literacies sind Technological Literacy, Data Literacy und Human Literacy. Diese sind in jedem Studiengang zu verorten und stellen fundamentales Wissen dar, ohne welches man im zukünftigen Berufsleben nicht mehr weiterkommt. Technological und Data Literacy sind für ihn zwei verschiedene Dinge, Technological ist eher Programmierung und Data ist der Umgang mit Datenmengen aus einer Anwenderperspektive. Human Literacy beschäftigt sich mit Interkulturalität und Diversität, was wohl in den USA noch mehr zu kurz kommt als bei uns. Für mich sind Literacies damit gedanklicher Teil einer Studium Generale-artigen Struktur im Bachelorstudium. In Deutschland am Weitesten ist hier wohl die Lehrstruktur des Komplementärstudiums am College der Universität Lüneburg.
Konkret müssten (1) Programmier- und Software Engineering-Kenntnisse übergreifend durch spezielles Lehrpersonal des Mittelbaues angeboten werden, vielleicht in Erweiterung bestehender Angebote aus einer Informatik heraus. Das kann relativ allgemein geschehen. Bei (2) Data Literacy müssten je nach Wissenschaftsdisziplin spezifischere Angebote gemacht werden, Labordaten der Naturwissenschaften, Simulationen in den Ingenieurwissenschaften, Umfragen in den Wirtschaftswissenschaften und Interviews in den Sozialwissenschaften etc. sind doch spezifisch. Für (3) Human Literacy könnten all jene Kurse zusammengefaßt werden, die an Universitäten im Bereich Gender, Diversität, Interkulturalität meist ohnehin schon existieren.
Die Capacities sind Critical Thinking, Systems Thinking, Entrepreneurship und Cultural Agility. Jedes Thema für sich könnte schon das Fundament für einen eigenen Masterstudiengang sein, aber Aoun plädiert für das Einbauen in bestehende Studienprogramme (Für Deutschland übersetzt wahrscheinlich ein Teil eines Masterstudiums, in den USA in den letzten beiden Jahren eines vierjährigen Bachelorprogramms). Mehr dazu im zweiten Teil.
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